Die Funktionen von Testosteron

Testosteron hat nicht nur großen Einfluss auf die männliche Entwicklung. Auch geschlechtsunspezifisch wird es für wichtige Funktionen im menschlichen Körper benötigt.


Abbildung 1: Funktionen von Testosteron beim Mann.

Welche Funktionen hat Testosteron bei Männern?

Während der Embryonalentwicklung wird Testosteron am Ende der fünften Schwangerschaftswoche kurz nach der Differenzierung der Leydig-Zellen im Hoden synthetisiert. Zu diesem Zeitpunkt ist die Testosteronsynthese noch unabhängig von der Hypothalamus-Hypophysen-Achse, die erst im dritten Trimester aktiviert wird. Stattdessen wird die Testosteronsynthese vom humanen Choriongonadotropin (hCG) angeregt, welches von der Plazenta synthetisiert wird.1

Die Serumkonzentration von Testosteron steigt dann bis zum frühen zweiten Trimester an.1 Zu diesem Zeitpunkt ist Testosteron für die Geschlechtsdifferenzierung verantwortlich. Diese beinhaltet das Absenken der Hoden in das Skrotum, Reifung der Nebenhoden, Samenleiter und Samenblase.1

Während der Pubertät kommt es zu einem Anstieg der GnRH- und LH-Ausschüttung durch die Hypothalamus-Hypophysen-Achse. Der damit einhergehende Anstieg des Testosteronspiegels führt zur Vergrößerung des Hodens und des Penis.1

Zudem fördert Testosteron zu diesem Zeitpunkt die Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale (Abb. 1). Dazu zählen u. a. das verstärkte Wachstum des Kehlkopfs und der Stimmbänder (Stimmbruch), vermehrte Körper-/Achselbehaarung und Bartwuchs.2

Im Erwachsenenalter reguliert Testosteron zusammen mit dem follikelstimulierenden Hormon (FSH), welches ebenfalls von der Hypophyse ausgeschüttet wird, die Bildung von Spermien (Spermatogenese) und deren Reifung (Spermiogenese).3

Welche geschlechtsunspezifischen Funktionen hat Testosteron?

Geschlechtsunspezifisch stimuliert Testosteron die Umwandlung sogenannter Vellushaare (dünne, schwach pigmentierte Haare) zu ausgereiften Haarfollikeln, welche längere, dicke und stark pigmentierte Haare produzieren. Es wird darüber diskutiert, dass Testosteron bei genetischer Veranlagung auch die Rücktransformation zu Vellushaaren stimulieren und somit zur Glatzenbildung führen kann.4 Zudem konnte eine Korrelation der 5α-Reduktase-Aktivität und der Glatzenbildung nachgewiesen werden, welche die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT) induziert.5

Testosteron stimuliert zudem auch die Talgproduktion in der Haut. Aufgrund des höheren Testosteronspiegels bei Männern ist ihre Haut fetter und grobporiger. Die männliche Epidermis ist etwa 20 % dicker, dichter, kann mehr Feuchtigkeit speichern und enthält mehr Kollagen. Dies führt zu höherer Spannkraft und Straffheit. Auf der anderen Seite kann die vermehrte Talgproduktion bei Männern eher zu Seborrhö und Akne führen.6

Außerdem hat Testosteron anabole Wirkungen. So stimuliert es über verschiedene Mechanismen die Hypertrophie der Muskelfasern. Testosteron fördert zum einen die Proliferation der Satellitenzellen der Muskulatur. Satellitenzellen sind Muskelstammzellen, die kaum ausdifferenziert und sich im Gegensatz zur erwachsenen Muskelfaser teilen können. Sie werden als Satellitenzellen bezeichnet, weil sie sich wie Satelliten in der „Umlaufbahn“ der Muskelfaser befinden.7

Jede Muskelfaser (Muskelzelle) besteht aus einem langen zylindrischen Zellschlauch und verfügt im Gegensatz zu den übrigen Körperzellen über zahlreiche Zellkerne, sogenannten Myonuklei. Wenn die Satellitenzellen durch Stress (z. B. körperliches Training) aktiviert werden und sich teilen, bilden sie Tochterzellen. Aus diesen entwickeln sich entweder neue Myonuklei oder die Satellitenzellen schmelzen zusammen, um neue Myofasern zu bilden, die wiederum mit bestehenden Muskelfasern fusionieren können. Eine Fusion mit neuen Zellkernen tritt jedoch nur dann auf, wenn die vorhandenen Myonuklei nicht mehr in der Lage sind, das Wachstum der Muskelfaser aufrechtzuerhalten. Bei der Muskelreparatur werden Myonuklei ersetzt (Abb. 2).7,8

Abbildung 2: Die Bedeutung der Satellitenzellaktivierung in der Skelettmuskulatur. Die ruhenden Satellitenzellen können durch Stress (z.B. körperliches Training) aktiviert werden. Ein Teil der aktivierten Zellen kehrt zum ursprünglichen Ruhestand zurück und dient als Reserve (Selbsterneuerung). Der andere Teil geht mit dem Aktivierungsprozess inklusive Proliferation, Differenzierung und Fusion weiter, dadurch tragen sie zur Regeneration, Reparatur, Hypertrophie und Hyperplasie des Muskels bei. Modifiziert nach Liu et al. 2007.8

Zum anderen konnte gezeigt werden, dass Testosteron pluripotente Stammzellen im Körper anregt, Satellitenzellen und Myozyten zu bilden. Gleichzeitig wird die Differenzierung zu Adipozyten inhibiert. Darüber hinaus erhöht Testosteron auch die Proteinbiosynthese und die Wiederverwertung intrazellulärer Aminosäuren im Skelettmuskel.7

Testosteron fördert zudem die Bildung von Erythrozyten und erhöht damit die Sauerstoffaufnahmefähigkeit des Blutes.5 Die daraus resultierende verbesserte Sauerstoffversorgung der Muskulatur kann zu einer körperlichen Leistungssteigerung im (Ausdauer)Sport beitragen. Aus diesem Grund sowie der oben genannten anabolen Wirkung wird Testosteron auch zu Dopingzwecken im Leistungssport missbraucht.

Darüber hinaus unterstützt Testosteron den Knochenaufbau. So ist während der Pubertät eine steigende Testosteronkonzentration mit einem gesteigerten Knochenwachstum korreliert. Diese Funktion basiert zum einen auf einer erhöhten Calciumeinlagerung in den Knochen und zum anderen auf der Stimulation von Osteoblasten, die für den Knochenaufbau verantwortlich sind. Zum Ende der Pubertät vermittelt Testosteron den Schluss der Wachstumsfugen, der sogenannten Epiphysenfugen, und somit das Ende des Knochenlängenwachstums.5,9

Welche psychischen Funktionen hat Testosteron?

Auch im zentralen Nervensystem (ZNS) ist Testosteron von Bedeutung. So können erniedrigte Testosteronwerte zur Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit führen. Darüber hinaus kann ein Testosteronmangel mit depressiven Symptomen einhergehen, die sich beispielsweise in Müdigkeit, Trägheit und Lustlosigkeit äußern. Einige Männer entwickeln eine manifeste Depression, geprägt von Hoffnungslosigkeit, bis hin zu Selbstmordgedanken. Auch verschiedene Merkmale von Angst, darunter phobische Ängstlichkeit und Paniksyndrome, werden durch Testosteron beeinflusst. Dementsprechend kann sich ein Testosteronmangel negativ auf die allgemeine Stimmungslage und das Selbstwertgefühl auswirken. Auch die räumliche Wahrnehmung wird durch Testosteron beeinflusst.10

  1. Hohl, A. (2017). Testosterone: From Basic to Clinical Aspects. Springer Verlag.

  2. Hofstetter, A. G., Eisenberger, F. (1996). Urologie für die Praxis. Springer Verlag, 2. Auflage.

  3. Thews, G, Mutschler, E., Vaupel, P. (1999) Anatomie Physiologie Pathophysiologie des Menschen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 5. Auflage.

  4. Nieschlag E, Behre, HM. Testosterone: Action Deficiency Substitutions. Cambridge University Press, 2012, 4. Auflage.

  5. Nieschlag E, Behre HM, Nieschlag S. Andrology. Male Reproductive Health and Dysfunction. Springer Verlag 2010, 3. Auflage.

  6. Kopera D. Wirkung von Testosteron auf Haut und Haare. J Klin Endokrinol Stoffw 2015; 8(1): 16–9.

  7. Kadi F. Research Symposium: Testosterone, muscle and satellite cells. Life Sciences 2007; Proc Life Sciences, SA166.

  8. Liu, Y., Gampert, L., Prokopchuk, O., & Steinacker, J. M. (2007). Satellitenzellaktivierung beim Krafttraining. Deutsche Zeitschrift fur Sportmedizin, 58(1), 6–11.

  9. Feigl S. J. Hormone und Knochenstoffwechsel. Klin. Endokrinol. Stoffw. 2021; 14: 48-54.

  10. Zitzmann M. Testosterone, mood, behaviour and quality of life. Andrology. 2020; 8(6):1598-1605.

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