Verlauf der Wechseljahre
Mit Beginn der Wechseljahre steigt die Prävalenz für Osteoporose, Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen und metabolisches Syndrom.
Welche Langzeitfolgen können im Verlauf der Wechseljahre auftreten?
Estrogene und Progesteron spielen nicht nur im Rahmen der Fortpflanzung eine wichtige Rolle sondern haben auch weitreichenden Einfluss auf Muskeln, Bindegewebe und Blutgefäße. Anders als die kurzfristigen Folgen des Hormonmangels in den Wechseljahren, wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen, die sich sehr rasch bemerkbar machen, treten die Langzeitfolgen erst allmählich in Erscheinung.
Das Osteoporose-Risiko steigt in den Wechseljahren deutlich an
Bereits in der Perimenopause setzt ein beschleunigter Knochenmasseverlust ein1, der postmenopausal zu einer Osteoporose mit erhöhter Frakturanfälligkeit führen kann2,3. Die Häufigkeit von Frakturen der Extremitäten ist bei Frauen bis zum 54. Lebensjahr zwar jener bei Männern vergleichbar, um sich dann aber rasch dramatisch zu steigern und erst bei den über 80-Jährigen findet wieder eine Annäherung der Häufigkeiten zwischen den Geschlechtern statt4.
2010 litten in der Europäischen Union 22 Millionen Frauen und 5,5 Millionen Männer an Osteoporose5. Es wird erwartet, dass die jährliche Zahl an Knochenbrüchen von 3,5 Millionen im Jahr 2010 auf 4,5 Millionen in 2025 steigt, was einen Anstieg um 28 % bedeuten würde6. Für Deutschland wird geschätzt, dass fast ein Viertel der 50- bis 64-jährigen sowie mehr als die Hälfte der über 65-jährigen Frauen eine Osteoporose aufweist7.
Urogenitale Atrophie in den Wechseljahren
Informationen zur urogenitalen Atrophie in den Wechseljahren (urogenitales Menopausensyndrom) inklusive Symptome, Diagnose und Therapie finden Sie > hier.
Verschiedene Risikofaktoren erhöhen das Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen in den Wechseljahren
Wenngleich Frauen im Vergleich zu Männern später betroffen sind8,9,10, entwickeln sich in den postmenopausalen Jahren verstärkt kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, wobei erhöhter Blutdruck, abnorme Blutlipidwerte, Tabakgenuss, zu wenig körperliche Betätigung, Diabetes mellitus, die Ernährungsweise und Adipositas zu den wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren zählen11.
Jüngere12 sowie peri- und früh postmenopausale9,13 Frauen ohne relevante kardiovaskuläre Risikofaktoren haben ein sehr geringes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten (Abb. 2) und eine sehr hohe Lebenserwartung, allerdings bilden sie eine Minderheit. Bei Frauen mit prämaturer Menopause hingegen ist das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich erhöht14. Diabetes Typ II15,16 sowie ein metabolisches Syndrom17,18 sind ebenfalls mit einem erheblich erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert. Estrogene scheinen hingegen protektiv gegen Arteriosklerose zu wirken19,20,21.
Während im Alter bis 45 Jahre die Prävalenz einer Hypertonie bei Frauen niedriger ist als bei Männern, ist sie ab einem Alter von 55 Jahren bei Frauen höher im Vergleich zu Männern22. In der globalen Fall-Kontroll-Studie INTERHEART23 zum erstmaligen Auftreten eines Herzinfarktes wurde der Vorteil von Frauen im Vergleich zu Männern verdeutlicht: Während Männer weltweit im Median von 56 Jahren bzw. in Westeuropa im Median von 61 Jahren einen Erstinfarkt erleiden, betrifft dies Frauen weltweit erst im Alter von 65 Jahren, ein Vorteil von im Mittel 9 Jahren, bzw. in Westeuropa erst im Alter von 68 Jahren, ein Vorteil von im Mittel 7 Jahren.
Die Prävalenz für das metabolische Syndrom steigt in den Wechseljahren
Metabolisches Syndrom bezeichnet eine Cluster-Bildung spezifischer kardiovaskulärer Risikofaktoren, die Hauptdimensionen sind Übergewicht (insbesondere viszerale Adipositas, gekennzeichnet durch vermehrten Bauchumfang), Insulinresistenz, Dyslipidämie sowie arterielle Hypertonie24. Bei der Diagnose eines Risikofaktors sollte gezielt auch das Vorliegen weiterer Faktoren abgeklärt werden. Dabei sind zusätzlich insbesondere LDL-Cholesterin, Rauchen und Familienanamnese, aber auch erhöhte Thromboseneigung und eventuell erhöhte Entzündungsparameter zu beachten25. Wie generell in der kardiovaskulären Prävention bilden Änderungen des Lebensstils die Basis aller Interventionen25,26.
Wenngleich in geringerem Umfang als Alter und Übergewicht, so war bei Frauen auch ein postmenopausaler (im Vergleich zum prämenopausalen) Status mit einem um 60 % signifikant erhöhten Risiko für ein metabolisches Risiko assoziiert27. Eine Auswertung der SWAN(Study of Women’s Health Across the Nation)-Studie, der größten Kohortenstudie mit Frauen mittleren Alters, kam zu dem Ergebnis, dass die Prävalenz des metabolischen Syndroms während der Peri- und Postmenopause signifikant ansteigt, unabhängig vom Alter und anderen kardiovaskulären Risikofaktoren wie Gewichtszunahme und Rauchen28.
Die Häufigkeit des Typ-II-Diabetes nimmt in den Wechseljahren stark zu
Der Diabetes mellitus umfasst eine Gruppe von Krankheiten, deren gemeinsames Charakteristikum der chronisch erhöhte Blutzucker im Nüchternzustand oder nach Einnahme von Mahlzeiten (Hyperglykämie) ist29. Die Blutzuckererhöhung lässt sich durch Bestimmung der Blutzuckerkonzentration (nüchtern oder nach Glukosebelastung) nachweisen. Etwa 80–90 % aller Diabetes-Fälle gehören zum Typ II, der durch eine Insulinresistenz und/oder einen Insulinsekretionsdefekt gekennzeichnet ist. Die Häufigkeit des Typ-II-Diabetes nimmt mit dem Alter, ab etwa dem 40. Lebensjahr, stark zu, wobei sich die Mehrheit der betroffenen Frauen in der Postmenopause befindet. In Deutschland ist die Anzahl Erwachsener mit Diabetes von 3,4 Millionen Erkrankter in 1980 auf 5,1 Millionen in 2014 gestiegen30. Bereits 2004 wurde durch Daten aus einer hessischen Stichprobe31 in Deutschland (wie bereits in früheren Jahren in den USA32) von einer hohen Prävalenz des Typ-II-Diabetes ausgegangen. Bereits ab einem Alter von 50 Jahren sind ca. 10 % und mehr der Frauen betroffen.
Bedrohlich ist der Typ-II-Diabetes vor allem aufgrund seiner Folgeschäden, wobei Makro- (Herzinfarkt, Schlaganfall) und Mikroangiopathien (Nephropathie, Retinopathie) an erster Stelle stehen29.
Welchen Einfluss die Menopause unabhängig vom Alter auf die Glukosehomöostase hat, wird derzeit noch diskutiert33. Die Mehrzahl an Studien spricht allerdings für einen Einfluss der menopausalen Estrogendefizienz auf das erhöhte Typ-II-Diabetes-Risiko bei postmenopausalen Frauen34. Obgleich z. B. frühere Auswertungen der SWAN-Studie Änderungen in der Glukosehomöostase lediglich mit dem chronologischen Alter und nicht mit der Menopause per se assoziierten35,36, ließen spätere Auswertungen des Follow-ups andere Schlüsse zu37. Für einen Einfluss des ovariellen Alterns sprach bei Frauen mit niedrigeren Estrogenwerten während der frühen menopausalen Transition ein 47 % höheres Risiko an Typ-II-Diabetes zu erkranken. Auch wurde eine natürliche oder chirurgisch-induzierte prämature Menopause mit einem erhöhten Risiko für Typ-II-Diabetes assoziiert38,39.
Eine aktuelle Kohortenstudie mit 124.379 postmenopausalen Frauen der WHI-Studie zeigte, dass die kumulative Estrogenexposition (Differenz zwischen Alter bei Menarche und Menopause)40 das Risiko für die Erkrankung an Typ-II-Diabetes beeinflusst. Danach haben Frauen sowohl mit einer sehr kurzen (reproduktive Phase < 30 Jahre) als auch mit einer sehr langen Estrogenexposition (≥ 45 Jahre) ein erhöhtes Risiko, Typ-II-Diabetes zu entwickeln (37 bzw. 23 % höheres Risiko) als Frauen mit einer mittel langen reproduktiven Phase von 36–40 Jahren.
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