Reproduktionsmedizin

PREIS School April 2023: Stimulationsprotokolle, Chancen und Risiken bei älteren Patientinnen – und vom Benefit der Lutealphasenunterstützung

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Am 27. und 28. April 2023 fand der Kurs der PREIS School in Florenz, Italien, zum Thema „How to Optimise Human Reproduction“ statt. Internationale Expertinnen und Experten gaben in ihren Vorträgen ein umfassendes Update zu „hot topics“ der assistierten Reproduktionstherapie (ART) und regten zu breit gefächerten Diskussionen an.

Veröffentlicht am 25.07.2023

Über die PREIS School

Die 2012 in Florenz gegründete PREIS School bietet Kurse, Fortbildungen und Kongresse in neonataler, perinataler, reproduktiver und postreproduktiver Medizin und verwandten Disziplinen an. Mehrmals im Jahr treffen sich internationale Expertinnen und Experten, um sich zu den neusten Forschungsergebnissen und zu eigenen Erfahrungen aus der Praxis auszutauschen. Die Kurse und Fortbildungen finden nicht nur in Florenz, sondern an Standorten weltweit und online statt und haben den Anspruch, die Frauengesundheit und insbesondere die Mutter-Kind-Medizin zu fördern und zu optimieren – beginnend vor der Konzeption, in der Reproduktionsphase, während der Schwangerschaft und postnatal. Kerngedanke sind hier neben der Vorstellung neuester wissenschaftlicher Studien auch das Netzwerken und der Erfahrungsaustausch zwischen Teilnehmenden und Vortragenden der Veranstaltungen. Mehr Informationen zur Reproduktionsmedizin und zur PREIS School finden Sie auf der Website des Veranstalters unter www.kos-mas.com/preis-school oder auf unser Übersichtsseite zur Reproduktionsmedizin.

Im PREIS School Kurs im April 2023 „How to Optimise Human Reproduction“ wurden schwerpunktmäßig neue Erkenntnisse zu Stimulationsprotokollen in der assistierten Reproduktionsmedizin (assisted reproductive technology, ART), zur Relevanz der Lutealphasenunterstützung (luteal phase support, LPS) für eine erfolgreiche Schwangerschaft und der Einfluss von Lebensstilfaktoren sowie Ernährungsstatus vorgestellt und diskutiert.

POSEIDON Kriterien

In der Session „Poor responders, what to do“ beleuchtete Dr. Annalisa Racca, Spanien, welche Faktoren Einfluss auf den Erfolg einer ART nehmen. Das Konzept der Stratifizierung anhand der POSEIDON (Patient-Oriented Strategies Encompassing IndividualizeD Oocyte Number) Kriterien dient der Einteilung der Patientinnen mit bestätigter oder erwarteter geringer ovarieller Reaktion auf exogene Gonadotropine (gleichzusetzen mit einer schlechten Prognose für eine ART) in vier Gruppen auf Grundlage quantitativer und qualitativer Parameter: Alter der Patientin und erwartete Aneuploidierate, Biomarker für die ovarielle Reserve (Anti-Müller-Hormon (AMH) und Antralfollikelzählung (AFC)) sowie die ovarielle Reaktion der Patientin, sofern ein vorheriger Stimulationszyklus durchgeführt wurde. Im letzteren Fall wurde ein suboptimales Ansprechen definiert als die Entnahme von vier bis neun Eizellen trotz adäquater ovarieller Parameter vor der Stimulation, da dies in jedem Lebensalter mit einer signifikant niedrigeren Lebendgeburtenrate im Vergleich zu normalen Respondern, d. h. solchen Frauen mit 10 bis 15 Eizellen, verbunden ist. Als schlechtes Ansprechen wurde die Entnahme von weniger als vier Eizellen trotz adäquater ovarieller Parameter vor der Stimulation definiert. Patientinnen der POSEIDON-Kategorie 4 haben damit die schlechteste Prognose für eine erfolgreiche ART, im Vergleich zur Kategorie 1. Gerade diese Patientinnengruppe könnte von der doppelten ovariellen Stimulation (DualStim) profitieren, wie Dr. Racca im nachfolgenden Vortrag vorstellte. 

Zielgruppe für einen solchen DualStim-Ansatz sind Frauen mit niedriger ovarieller Reserve und (daher) insbesondere ältere Patientinnen mit Kinderwunsch – von denen bekanntermaßen immer mehr in den Reproduktionskliniken vorstellig werden.

DualStim zur Ergebnisverbesserung

Dr. Racca stellte dazu die Studie von Ubaldi et al. vor, in der Patientinnen mit niedrigem AMH (≤ 1,5 ng/ml) und niedrigem AFC (≤ 6 Follikel) doppelt stimuliert wurden; also solche Patientinnen, die nach POSEIDON Kriterien als „poor responders“ gelten. Evaluiert wurde der Effekt des DualStim Ansatzes auf die Lebendgeburtenrate.

Das DualStim Protokoll umfasste sowohl die Follikelphasen- (FP-), als auch die Lutealphasen- (LP-) Stimulationen mit follikelstimulierendem Hormon- (FSH-) und Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Antagonisten. Die Follikelstimulation wurde am Tag 2 des Menstruationszyklus mit einer festen Dosis von 300 IE rekombinantem FSH und 75 IE rekombinantem LH für vier Tage eingeleitet. Bei einer Leitfollikelgröße von 13-14 mm wurde täglich ein GnRH-Antagonist appliziert. Wenn mindestens zwei Follikel 17-18 mm erreicht hatten, wurde die Ovulation mittels GnRH-Agonist ausgelöst und die Eizellen nach 35 Stunden entnommen. Fünf Tage nach dieser ersten Eizellentnahme wurde eine zweite Gonadotropinstimulation mit einem GnRH-Antagonisten-Protokoll initiiert, analog zur ersten. Wenn mindestens zwei Follikel einen Durchmesser von 17-18 mm erreichten, wurde die Ovulation mittels GnRH-Agonist ausgelöst und die zweite Eizellentnahme 35 Stunden später durchgeführt. Die Auslösung der Ovulation mittels GnRH-Agonist statt mit einer HCG-Injektion reduziere deutlich das Risiko für die Entwicklung eines Überstimulationssyndroms (OHSS), so Racca.

Mittels dieser kombinierten FP- und LP-Stimulation könnten mehr Oozyten und Embryonen pro Zyklus gewonnen werden, und die Studie zeige bei DualStim-Patientinnen eine erhöhte kumulative Lebendgeburtenrate. Derzeit werde das Verfahren allerdings fast ausschließlich bei Patientinnen mit schlechter Prognose für eine ART angewendet. Wenn zukünftig mehr Erfahrungswerte und Studiendaten vorliegen, könnte der DualStim-Ansatz zusammen mit einer „freeze-all-Strategie“ die Chancen für eine erfolgreiche ART erhöhen – insbesondere in Anbetracht des stetig wachsenden Alters der Kinderwunsch-Patientinnen.

Progesteron bei der ART

Das Thema Progesteron und die Bedeutung der Lutealphasenunterstützung (LPS) für eine erfolgreiche Schwangerschaft und gutes Ergebnis der ART war in mehreren Sessions des Kurses vertreten und zeigt, wie bedeutend die Progesterongabe im Rahmen der ART ist. Laut Paul Piette, Belgien, avancierte Progesteron zum weltweiten Standard für die LPS, allerdings gebe es wesentliche Unterschiede zwischen den einzelnen Progesteronformulierungen und der jeweiligen Applikationsform hinsichtlich Effektivität, Bioverfügbarkeit, aber auch Komfort in der Anwendung. Gerade dieser Punkt sei für die Praxis wichtig, denn nur Patientinnen, die eine gute Therapietreue zeigen, können optimal von der LPS profitieren.

Oral verabreichtes Progesteron erziele aufgrund der begrenzten Bioverfügbarkeit kaum die empfohlene Plasmaspiegelgrenze von 10 ng/ml und eigne sich nur bedingt zur LPS, wie Piette erläuterte. Die höchsten Plasmaspiegel werden mit intramuskulär (i.m.) injiziertem Progesteron erreicht. Allerdings ist diese Applikationsform, neben den höheren Kosten, auch diejenige mit der schlechtesten Therapietreue: Die Patientinnen müssen sich jeden Tag selbst injizieren, was schmerzhaft ist und zu Abszessen führen kann. Komfortabler und risikoärmer ist die vaginale Progesterongabe über Zäpfchen oder Kapseln. Manche Patientinnen empfinden die hochdosierten Zäpfchen aufgrund des Ausflusses und der Größe oftmals als unbequem. Piette erklärte, dass vaginale Progesteronkapseln zwar geringer dosiert sind als Zäpfchen, diese aber im Hinblick auf die Raten fortgesetzter Schwangerschaften trotzdem nicht unterlegen sind. Viel helfe eben nicht immer viel, so Piette.

Interessant auch: Trotz geringerer Plasmalevel im Vergleich zur i.m. Applikation und des „uterine first pass“-Effektes erreichen Progesteronkapseln höhere Gewebskonzentrationen im Uterus – d.h. direkt „am Ort des Geschehens“. 

Insbesondere mikronisiertes Progesteron habe ein einzigartiges pharmakodynamisches Profil, was sich positiv auf den Erhalt der Schwangerschaft auswirke. Progesteron und seine Metabolite wirken auf das Endometrium, die Immunantwort, auf inflammatorische Prozesse, auf die Zervixintegrität und -reifung und reduzieren die uterine Kontraktilität.

Wichtig für die Praxis: Den Bluttest immer morgens zur etwa gleichen Zeit durchführen, um die Messung valider Progesteron-Serumwerte zu sichern, da die Spiegel zirkadianen Schwankungen unterliegen und Morgen- und Abendmessungen nicht vergleichbar sind.

Auch Dr. Samuel dos Santos Ribeiro, Portugal, betonte die Relevanz von Progesteron für den Erhalt der Schwangerschaft und die positiven Effekte auf die Lebendgeburtenrate. Wie dos Santos Ribeiro betonte, sei dies im Kontext von Kryo- bzw. Auftauzyklen nicht nur bei HRT-Zyklen bzw. modifizierten natürlichen Zyklen der Fall, sondern manifestiere sich in der Praxis auch in erfolgreicheren Schwangerschaften innerhalb des natürlichen Zyklus. Nicht nur in der ART, sondern auch bei spontanen Schwangerschaften spielt Progesteron eine zunehmende Rolle. So wurden jüngst die Leitlinien adaptiert: Die NICE, ESHRE und auch die deutschen Leitlinien empfehlen eine Progesterongabe bei Frauen mit vorherigem Abort und vaginaler Blutung bei erneuter bestätigter Schwangerschaft.

Einfluss des Lebensstils

Ein in vielen Vorträgen präsentes Thema war der negative Effekt eines hohen BMI auf den Erfolg der ART. Die Patientinnen mit Kinderwunsch werden immer älter und haben immer öfter einen höheren BMI, wie dos Santos Ribeiro und Prof. Roland Devlieger, Belgien, in ihren Vorträgen betonten. Im Rahmen der Behandlung bzw. der Vorgespräche sollte die Ärztin oder der Arzt den Risikofaktor „Übergewicht“ mit den Patientinnen aktiv besprechen und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Adipositas ganz erhebliche negative Effekte auf die Erfolgsaussichten der ART hat. Das betrifft übrigens nicht nur die Patientin, sondern auch den Vater, denn auch die Spermienqualität leidet unter hohen BMI-Werten und durch eine ggf. vorliegende Komorbidität.

Zukunft der ART

Die Zukunft der ART entwickelt sich in Richtung individueller Protokolle und Hormongaben, angepasst an die spezifischen Risiken und Chancen der Patientinnen. Für ältere Patientinnen mit Kinderwunsch und solche mit niedriger ovarieller Reserve könnte das DualStim-Verfahren eine vielversprechende Möglichkeit zur Erfolgsverbesserung bieten. Hervorzuheben bleibt die herausragende Relevanz der Lutealphasenunterstützung beim Kinderwunsch. Eine Progesterongabe reduziert nachweisbar das Risiko für Aborte, Präeklampsie, Gestationsdiabetes und erhöht gleichzeitig die Rate an Lebendgeburten. Für eine Progesterongabe stehen verschiedene Applikationsformen zur Verfügung, wie Injektionen oder anwenderinnenfreundliche Zäpfchen oder Kapseln mit mikronisiertem Progesteron und einem vorteilhaften pharmakodynamischen Profil.