Reproduktionsmedizin

ESHRE-Symposium 2025 – Studienlage zu Progesteron erweitert sich kontinuierlich

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In einem von Besins Healthcare Germany gesponsorten Symposium beim ESHRE 2025 erläuterten internationale Expertinnen und Experten die mittlerweile vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Progesteron innerhalb der ART. Der Vorsitzende Prof. Nick Macklon, Großbritannien, erläuterte, dass Progesteron als therapeutische Intervention viele Herausforderungen adressieren kann, die bei der Optimierung der ART entstehen. Die sich kontinuierlich erweiternde und vertiefende Studienlage zu Progesteron erfordert dabei eine intensive Auseinandersetzung mit den therapeutischen Möglichkeiten.

Veröffentlicht am 12.09.2025

Rolle von Progesteron bei der LPS, im NPP- und PPOS-Protokoll

Prof. Human Fatemi, Vereinigte Arabische Emirate, startete mit einem Überblick zu den verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Progesteron z.B. im Rahmen der Lutealphasenunterstützung (LPS), des NPP (natürliche proliferative Phase)-Protokolls und des PPOS-Protokolls. Eine LPS wird laut Fatemi in der Regel nötig, sobald Gonadotropine zur multiplen Follikelreifung und Ovulation verabreicht werden, da diese zu einer verminderten Progesteron-Produktion führen. Im PPOS-Protokoll kann Progesteron als Alternative zur Ovulationsunterdrückung mit Agonisten oder Antagonisten bei einem Freeze-all-Ansatz eingesetzt werden. Studien zeigen vergleichbare Ergebnisse.1 Im NPP-Kryozyklus wird Progesteron zur endometrialen Vorbereitung eingesetzt. Die Vorteile des natürlichen Kryozyklus können mit einer flexibleren Planung kombiniert werden. Bisherige Daten zur Effizienz und Sicherheit sind sehr vielversprechend, es werden jedoch noch weitere randomisierte, klinische Studien benötigt.2

Dauer der Progesteron-Exposition als wichtiger Faktor

Die zahlreichen Progesteron-Darreichungsformen (intramuskulär, subkutan oder vaginal) erfordern Effizienzvergleiche zwischen den verschiedenen Applikationswegen. Dabei sollte das Studiendesign stets kritisch evaluiert werden, so Fatemi weiter. Die Zeitdauer der Progesteron-Exposition ist nämlich extrem wichtig, um Effizienzvergleiche korrekt ausführen zu können – dies wurde in den randomisierten klinischen Studien der letzten Jahre nicht immer beachtet. In der Wahl der Darreichungsform sollte laut Fatemi auch berücksichtigt werden, dass die Patientinnen ohnehin sehr viele Injektionen im Rahmen einer ART erhalten, was seiner Meinung nach eindeutig gegen eine Verabreichung von Progesteron als Injektion spricht. 

Für orales Dydrogesteron wurde in Studien eine ähnliche Wirksamkeit wie die anderen Verabreichungsformen gezeigt. Fatemi gab jedoch zu bedenken, dass zur endgültigen Beurteilung der Sicherheit, weitere korrekt durchgeführte RCT nötig sind.3 Bei der vaginalen Anwendung bewertet er als vorteilhaft, dass es innerhalb von wenigen Stunden zu einer starken Progesteron-Exposition im Endometrium und Myometrium kommt.4

Einen kritischen Blick warf Fatemi auf die aktuellen Diskussionen um die Festlegung eines optimalen Progesteron-Schwellenwertes. In den zugrundeliegenden Studien gibt es neben der Progesteron-Konzentration sehr viele andere Variablen, die das Outcome wesentlich beeinflussen. Der „Tunnelblick“ auf die Progesteron-Konzentration ist meist eine unzulässige Vereinfachung. Hingegen unstrittig ist aus Fatemis Sicht, dass Patientinnen mit Endometriose und Adenomyose als therapeutische Intervention höhere Konzentrationen an Progesteron benötigen als andere Patientinnen ohne diese Grunderkrankung.5

Kohortenstudie zum Vergleich vaginaler Progesteron-Präparate 

Dr. Rima Dillon-Smith, Großbritannien, stellte eine neue, bisher größte, retrospektive Studie vor, die die zwei Hauptformen des mikronisierten vaginalen Progesterons (MVP) – Utrogestan® (vaginale Weichkapseln) und Cyclogest® (Vaginalzäpfchen) – hinsichtlich des klinischen Outcomes und der LBR direkt miteinander verglich. Eingeschlossen waren Patientinnen mit IVF/ICSI- oder FET-Zyklen, bei denen ausschließlich die vaginalen Weichkapseln oder die Vaginalzäpfchen zur LPS eingesetzt wurde. 

Die Studie ergab eine konsistente Verbesserung der Schwangerschaftsergebnisse unter vaginalen Weichkapseln im Vergleich zu Vaginalzäpfchen, sowohl in IVF/ICSI- als auch in FET-Zyklen. Dieser Effekt war unabhängig von Alter, BMI-Kategorie und bis zum dritten ART-Versuch zu beobachten. In der IVF/ICSI-Gruppe war die LBR bei Patientinnen unter den vaginalen Weichkapseln signifikant höher als in der Vaginalzäpfchen-Gruppe (34,3% vs. 27,8%; adjustiertes Odds Ratio [aOR] = 1,28; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,16-1,43; p<0,001). Auch in der FET-Gruppe zeigte sich eine höhere LBR bei der Anwendung von vaginalen Weichkapseln im Vergleich zu den Vaginalzäpfchen (36,7% vs. 32,9%; aOR = 1,17; 95%-KI: 1,10-1,26; p<0,001). 

Dhillon-Smith ergänzte, dass unterschiedliche Gewebeeffekte der Präparate die Ursache der gesehenen Effekte sein könnten. Die Pharmakokinetik und das Trägermedium könnten ebenfalls zu diesen Unterschieden beitragen.6 

Fazit

Die Referentinnen und Referenten machten deutlich, dass viele Herausforderungen der ART mit Progesteron adressiert werden können. Die retrospektiven, jedoch sehr umfangreichen Daten aus Großbritannien demonstrieren zudem einen Vorteil hinsichtlich der LBR bei Frisch- und Kryotransferen unter Anwendung von vaginalen Progesteron-Weichkapseln.

Quellen:

1 Yildiz S et al., Minerva Obstet Gynecol. 2023 Dec;75(6):573-582. 

2 Mendes-Godinho M et al., Hum Reprod. 2024 May 2;39(5):1089-1097.

3 Henry A et al., Hum Reprod Open. 2025 Jan 2;2025(1):hoae072.

4 Buletti C et al., Hum Reprod 1997;12:1073-9.

5 Alsbjerg B et al., Reprod Biomed Online. 2023 Jan;46(1):92-98. 

6 Khairy M et al., Oral presentation at BFS Fertility 2025 Liverpool.