Reproduktionsmedizin

ESHRE 2025: Relevante Impulse für Ihre Praxis

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Der 41. Jahreskongress der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) fand vom 29. Juni bis 2. Juli 2025 in Paris statt – mit über 12.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 138 Ländern. Aus dem umfangreichen wissenschaftlichen Programm mit mehr als 80 Sessions berichtet PD Dr. med. Sören von Otte, Universitäres Kinderwunschzentrum Kiel, über seine Highlights.

Veröffentlicht am 04.09.2025

Langzeitdaten Onkofertilität

Aktuell rücken zunehmend Langzeitdaten zum Fertilitätserhalt in den Fokus der Forschung. So zeigen Auswertungen aus Kanada und Frankreich bei jüngeren onkologischen Patientinnen hohe Schwangerschaftsraten nach Kryokonservierung von Oozyten und Ovargewebe. Besonders positiv zu bewerten sind die Daten zur Sicherheit und hormonellen Aktivität von Ovargewebe nach Reimplantation.[1,2]

Fazit: Maßnahmen zur Fertilitätsprävention haben weiterhin einen hohen Stellenwert in der klinischen Praxis. Die zunehmend gute Datenlage zur Effektivität und Langzeitsicherheit sprechen dafür.

„Time to rethink“ – Fertilitätserhalt beim Mammakarzinom

Das Mammakarzinom stellt als Grund für fertilitätserhaltende Maßnahmen die häufigste Entität dar. Fraglich ist derzeit allerdings, ob alle Frauen mit der Diagnose Mammakarzinom im fertilen Alter Maß-nahmen zum Fertilitätserhalt bekommen sollten. Dr. Hatem Azim, Ägypten, vertrat in seinem Vortrag die Position, dass dies nicht bei allen Frauen nötig ist. Vielmehr ist eine individuelle Risikoabschätzung essenziell. Altersabhängigkeit, Tumorstadium, geplanter Therapieablauf und noch (oder nicht mehr) vorhandener Kinderwunsch müssen im Gespräch berücksichtigt werden. Entscheidungsbäume helfen hier bei der Patientinnenselektion.[3] Zur weiteren, wichtigen Frage, ob bei fertilitätspräventiven Stimulationen zur Oozyten-Gewinnung Estrogen-hemmende Therapien erfolgen müssen, referierte Prof. Christine Decanter, Frankreich. Mit dem Einsatz von Substanzen wie Tamoxifen und Letrozol während der ovariellen Stimulation bei Mammakarzinom-Patientinnen sollen Östrogenspiegel supprimiert werden, um das Rezidivrisiko hormonempfindlicher Tumoren nicht zu erhöhen. Zwar deuten erste Studiendaten auf sichere hormonelle Profile hin – aber endgültige Aussagen zu Wirksamkeit und Langzeitrisiken dieser Stimulationsprotokolle fehlen leider noch.[4]

Innovationen bei Auftauzyklen 

Weitere Highlights im wissenschaftlichen Programm stellten die Präsentationen von Vergleichsstudien zu natürlichen vs. programmierten Kryozyklen dar. Dr. Ze Wang, China, und Dr. Brecht Geysenbergh, Belgien, stellten zwei randomisierte kontrollierte Studien (RCT) zum Vergleich natürlicher versus programmierter (= substituierter) Kryozyklen vor. Die Daten der beiden Studien zeigten eine vergleichbare Lebendgeburtenrate (LBR) zwischen beiden Protokollen. Im natürlichen Zyklus traten jedoch, in Übereinstimmung mit bisher publizierten Daten, komplikationsärmere Schwangerschaften auf. Dahinter stehen eine niedrigere Fehlgeburtenrate und weniger hypertensive Schwangerschaftserkrankungen und postpartale Blutungen.[5,6]

Innovative Protokolle: PPOS und Random-Start-Protokoll

Im Fokus einer Session mit sechs Vorträgen standen das Progestin-primed ovarian stimulation (PPOS)-Protokoll und Random-Start-Protokolle. PPOS nutzt orales mikronisiertes Progesteron oder synthetische Gestagene zur Unterdrückung des endogenen LH-Anstiegs. Die Vorteile sind neben vergleichbarer Metaphase II (MII)-Oozytenzahlen und Embryoqualität – wie bei Antagonisten-Protokollen – die Patientinnenfreundlichkeit durch orale Einnahme, ein selteneres Monitoring und geringere Kosten.[7] Random-Start-Protokolle ermöglichen dabei den Beginn der ovariellen Stimulation zu beliebigen Zeitpunkten im Zyklus. Sie zeigen vergleichbare Resultate bzgl. ovarieller Ausbeute, besonders bei Fertilitätserhalt oder zeitkritischen Indikationen. Unter dem Vorsitz von Prof. Christos Venetis, Griechenland, und Prof. Nathalie Massin, Frankreich, wurde in dieser Session deutlich, dass PPOS und Random-Start-Stimulation die Reproduktionsmedizin flexibler und patientinnenfreundlicher machen. Insbesondere unter Zeitdruck oder bei spezifischen Indikationen wie Fertilitätserhalt kann flexibler vorgegangen werden.[7] 

Fazit: Die Technologien sind nach übereinstimmender Auffassung der Vortragenden ausgereift genug für den Routineeinsatz im Klinikalltag. Wenn auf einen Frischtransfer verzichtet werden kann, stellen PPOS-Protokolle eine beachtenswerte Therapiealternative für die Gewinnung von Eizellen und Embryonen dar.

Quellen:

1 Sharon-Weiner M et al., O-027, Hum Reprod 2025;40, Suppl 1, June 2025. 

2 Paciotti G et al., O-031, Hum Reprod 2025;40, Suppl 1, June 2025. 

3 Azim H et al., O-274, Hum Reprod 2025;40, Suppl 1, June 2025. 

4 Decanter C et al., O-275, Hum Reprod 2025;40, Suppl 1, June 2025. 

5 Wang Z et al., O-185, Hum Reprod 2025;40, Suppl 1, June 2025.

6 Geysenbergh B et al., O-186, Hum Reprod 2025;40, Suppl 1, June 2025.

7 Trong-Thach T et al., O-255, Hum Reprod 2025;40, Suppl 1, June 2025.