Gynäkologie, Wechseljahresbeschwerden, Hormonersatztherapie

EMAS-Kongress 2025:
Die Rolle der HRT im Hinblick auf Depression, Demenz und POI

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Die Rolle der HRT im Hinblick auf Depression, Demenz und POI

Kongressbericht von Dr. med. Julia Schläger, Frankfurt am Main

 

Vom 14. bis 16. Mai 2025 fand in Valencia der 15. Kongress der European Menopause and Andropause Society (EMAS) statt. Dr. med. Julia Schläger, Frankfurt/Main, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunktausbildung Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, war vor Ort und berichtet über einige ihrer persönlichen Highlights des Kongresses.

Veröffentlicht am 25.06.2025

Depressionen während des menopausalen Übergangs

Frau Prof. Pauline Maki aus Illinois stellte die sechs Risikofaktoren für eine menopausale Depression vor. Als erster Risikofaktor wurde die frühe Menopause (unter 45 Jahren) genannt. Hierzu wurden Daten einer prospektiven, kontrollierten Beobachtungsstudie aus Australien (Hickey M. et al., Gynecologic Oncology 2021) präsentiert, die eine Zunahme der Depression insbesondere in den ersten drei Monaten nach einer prophylaktischen Adnexektomie bei BRCA-Mutationsträgern aufzeigten. In dieser Studie zeige sich keine Reduktion des Auftretens von Depressionen unter einer Hormonersatztherapie. Für diese Patientinnengruppe sei primär der Einsatz von Antidepressiva und Psychotherapie zur Behandlung der Depression empfohlen.

Als zweiter Risikofaktor wurden bereits in der Vorgeschichte aufgetretene Depressionen genannt. Daten einer US-amerikanischen Kohortenstudie mit 203 Frauen im späten reproduktiven Alter, die zu Beginn der Studie prämenopausal waren und während der 14 Jahre anhaltenden Studiendauer die natürliche Menopause erreichten (Freeman et al., JAMA Psychiatry 2014), zeigten ein sechsfach höheres Risiko einer Depressionsentwicklung in der Perimenopause bei Frauen mit depressiven Episoden in der Vorgeschichte. Insbesondere bei diesen Frauen sollten laut Maki Antidepressiva oder eine Psychotherapie eingesetzt werden.

Als dritter Risikofaktor wurden estrogenabhängige Stimmungsschwankungen in der Perimenopause genannt. Bei estrogensensitiven Frauen kann es durch die starken Estrogenschwankungen gerade am Anfang der Perimenopause zu Stimmungsabfällen kommen. Hier kann zur Unterbindung der Hormonschwankungen z. B. ein orales Kontrazeptivum, alternativ eine Hormonersatztherapie eingesetzt werden. 

Zu weiteren Risikofaktoren zählen persistierende klimakterische Beschwerden wie Hitzewallungen und Schlafstörungen. In diesen Fällen wird die klassische Hormonersatztherapie zur Behandlung der vasomotorischen Symptome angeraten. Traumatische Erfahrungen in der Kindheit könnten ebenfalls das Risiko einer menopausalen Depression erhöhen und sollten mit Hilfe von Psychotherapie behandelt werden. Als letzter Risikofaktor wurden stressauslösende Lebensumstände genannt und hier als beste Therapieoption die kognitive Verhaltenstherapie empfohlen. 

Demenzrisiko und Hormonersatztherapie

Prof. Walter Rocca aus Minnesota ging in seinem Vortrag auf die Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen der HRT, insbesondere der Estrogentherapie (ET), auf das Gehirn ein. Dazu stellte er Studien ab 2003 vor, die sich mit diesem Thema befassen. Es wurde deutlich, dass die heute vorliegenden Daten widersprüchliche Ergebnisse aufweisen. Der Benefit einer Hormonersatztherapie im Hinblick auf das Demenzrisiko ist hierbei abhängig vom Eintrittsalter in die Menopause. Die klinische Empfehlung lautet, dass die ET für Frauen im Alter von 45 bis 54 Jahren nicht als präventive Maßnahme gegen Demenz in Betracht gezogen werden sollte. Hier empfahl Rocca, eine HRT nur bei Vorhandensein klimakterischer Beschwerden und im Hinblick auf einen positiven Effekt auf den Knochenstoffwechsel einzusetzen, jedoch nicht allein zur Demenzprophylaxe.

In seinem Fazit betonte Rocca jedoch, dass eine ET bei Patientinnen mit einer prämaturen Ovarialinsuffizienz oder einem frühzeitigen Klimakterium auch unabhängig von vorhandenen klinischen Beschwerden bis zum natürlichen Menopausealter gegeben werden sollte. Sofern keine wichtigen Kontraindikationen vorliegen, wird empfohlen, die ET bald nach Beginn der vorzeitigen oder frühen Menopause zu beginnen und die Behandlung mindestens bis zum durchschnittlichen Alter der spontanen Menopause (ca. 50–52 Jahre) fortzusetzen. Rocca empfahl, die ET individuell auf verschiedene Frauengruppen abzustimmen. Eine Unterteilung der Frauen nach Alter bei Eintritt der Menopause, Art der Menopause und Vorhandensein oder Fehlen vasomotorischer Symptome sei sinnvoll.

Welches Gestagen für welche Frau?

In einem Vortrag im Rahmen des Symposiums der Deutschen Menopause Gesellschaft (DMG) stellte Prof. Thomas Römer aus Köln eine Übersicht der im Rahmen einer Hormontherapie in der Peri- und Postmenopause zur Verfügung stehenden Gestagene vor. Zunächst erfolgte eine Einteilung nach den Partialeffekten. Zu den Gestagenen mit antiandrogener Wirkung zählen Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat, Dienogest und Drospirenon, letzteres mit zusätzlicher antimineralkortikoider Wirkung.

Im Falle einer Hysterektomie ist eine zusätzliche Gestagengabe nicht notwendig, außer bei vorbekannter ausgeprägter Endometriose, einer laparoskopisch assistierten suprazervikalen Hysterektomie mit rezidivierenden vaginalen Blutungen oder zur Behandlung von Schlafstörungen im Rahmen der Menopause. Nach einer Endometriumablation ist eine zusätzliche Gestagengabe notwendig. 

Im Hinblick auf ein erhöhtes Brustkrebsrisiko konnte in der E3N-EPIC-Kohortenstudie (Fournier et al., 2008) kein erhöhtes Brustkrebsrisiko in der Kombination Estrogen mit mikronisiertem Progesteron (MP) oder mit Dydrogesteron (DYD) innerhalb von 5 Jahren unter Anwendung nachgewiesen werden.

Für einen ausreichenden Endometriumschutz empfahl Römer bei einem Hub Estradiol-Gel bei zyklischer Gabe 200 mg mikronisiertes Progesteron oder 10 mg Dydrogesteron und bei kontinuierlicher Gabe 100 mg MP und 5–10 mg DYD. Bei zwei Hub Estradiol-Gel erhöhe sich dementsprechend die zyklische MP-Gabe auf 200–300 mg und 10–20 mg DYD und die kontinuierliche Gabe von MP auf 200 mg und von DYD auf 10 mg. Bei Übergewicht, Endometriumhyperplasie oder Blutungsstörungen können aufgrund einer stärkeren Wirksamkeit am Endometrium synthetische Gestagene im Rahmen einer HRT bevorzugt in Betracht gezogen werden. Bei bestehendem Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, arteriellem Hypertonus sowie erhöhtem Thromboserisiko sollten DYD und MP bevorzugt eingesetzt werden. Zur sicheren Kontrazeption in der Perimenopause habe sich die Kombination aus Hormonspirale (LNG-IUS 52 mg) und transdermaler Estradiolgabe bewährt. Als antiandrogene Hormonersatztherapien seien Kombinationen aus Dienogest und Estradiolvalerat oder Drospirenon und Estradiol sinnvoll. Drospirenon 4 mg kontinuierlich und transdermale Estradiolgabe könnten auch zur Kontrazeption in der der Perimenopause eingesetzt werden, allerdings sei dies ein Off-Label-Use. Abschließend betonte Römer, dass es immer eine individuelle Entscheidung sei, die auf einer exakten Anamnese und Einschätzung der Risikofaktoren beruht, welches Gestagen im Rahmen einer hormonellen Behandlung in der Perimenopause eingesetzt werden sollte.

Pilotprojekt deutsches POI-Register

Dr. Susanne Theis aus Mainz und Dr. Julia Schläger aus Frankfurt/Main stellten im Rahmen desselben Symposiums der DMG ein Pilotprojekt der DMG in Kooperation mit dem Institut für digitale Gesundheitsdaten Rheinland-Pfalz vor. Das Ziel ist die Erstellung eines nationalen Registers für Frauen mit einer prämaturen Ovarialinsuffizienz (POI). Seit November 2024 werden Daten von Frauen mit POI mittels eines Patient-Reported Outcome-Fragebogens erfasst. Die Einschlusskriterien für die Studie sind

  1. Alter > 18 bis < 45 Jahre,
  2. Zyklusstörungen über mehr als 4 Monate,
  3. FSH > 25 IU/l im Alter von unter 40 Jahren gemessen.

Beteiligt sind acht Zentren in Deutschland (Uniklinik Aachen, Universitätsklinikum Bonn, Universitätsklinikum Heidelberg, Universitätsklinikum Frankfurt, Universitätsmedizin Mainz, Ludwig-Maximilians-Universität München, Praxis Hormone Hamburg, Endokrinologikum Frankfurt). Das Pilotprojekt läuft noch bis März 2026. Ziele des Pilotprojektes sind eine Steigerung der Sensibilität gegenüber dem Krankheitsbild innerhalb und außerhalb der Fachdisziplinen, eine systematische Datenerfassung sowie die Etablierung notwendiger Strukturen für das geplante nationale Register mit dem langfristigen Ziel, die Versorgung Betroffener zu optimieren und die Prävention zu verbessern. 

Aktuelle ESHRE-Leitlinie zur POI

Prof. Nick Panay aus London gab in seinem Vortrag einen Überblick über die 2024 erschienen ESHRE Leitlinien für die prämature Ovarialinsuffizienz (POI). Die prämature Ovarialinsuffizienz wird definiert als der Verlust der ovariellen Funktion vor dem 40. Lebensjahr und ist gekennzeichnet durch Zyklusstörungen über mindestens 4 Monate sowie eine einmalige Erhöhung des Follikelstimulierenden Hormons (FSH) über 25 IU/l, ggf. Kontrolle nach 4 Wochen bei unklarem Befund. Die aktuelle Prävalenz liegt bei etwa 3,5 %. Die Bestimmung des Anti-Müller-Hormons (AMH) sollte nur bei Unklarheit hinzugezogen werden und wird nicht als primärer Diagnostikmarker empfohlen. Im Falle einer nicht-iatrogenen POI sollte zur Abklärung genetischer Ursachen eine Chromosomenanalyse sowie die Untersuchung einer FMR1-Prämutation erfolgen. Soweit verfügbar sollte eine Next Generation Sequencing (NGS) zur Detektion monogenetischer Ursachen durchgeführt werden. Eine POI kann in bis zu 40 % mit autoimmun bedingten Begleitendokrinopathien einhergehen. Daher wird die Bestimmung des Thyreoidea-stimulierenden Hormons (TSH) zur Abklärung der Schilddrüsenfunktion empfohlen sowie die Bestimmung der 21-Hydroxylaseantikörper im Hinblick auf eine autoimmune Nebennierenschwäche.

Eine psychologische Unterstützung soll den Betroffenen angeboten werden. Die Therapie der POI umfasst, neben einer gesunden Ernährung, regelmäßigen Sport (v. a. Kraftsport), die Beendigung eines möglichen Nikotinabusus und die Reduktion des Alkoholkonsums, das Achten auf einen ausgeglichenen Vitamin D- und Kalziumspiegel und vor allem den Einsatz einer individualisierten Hormontherapie unter Berücksichtigung von Risikofaktoren. Eingesetzt werden kann eine klassische Hormonersatztherapie (HRT) oder alternativ kombinierte orale Kontrazeptiva.

Bei der klassischen Hormonersatztherapie sollte die tägliche Estrogengabe äquivalent zu mindestens 2 mg Estradiol oral bzw. mindestens 100 µg transdermal erfolgen. Die Gestagengabe sollte in höheren Dosierungen als bei Frauen im physiologischen Menopausealter erfolgen. Bei sequenzieller Progesterongabe sollten 200–400 mg, bei kontinuierlicher Progesterongabe mindestens 200 mg täglich eingesetzt werden. Bei sequenzieller Dydrogesterongabe liegt die Empfehlung bei 20 mg und bei kontinuierlicher Gabe bei 10 mg täglich. Hier verwies Panay auf die Tabelle zur Hormonersatztherapie in den ESHRE-Leitlinien.

Die Hormonersatztherapie sollte mindestens bis zum physiologischen Menopausealter (50–52 Jahre) fortgeführt werden. Bei Patientinnen mit einer BRCA-Mutation und Zustand nach Ovarektomie beidseits sollte eine HRT angeboten werden. Aufgrund des erhöhten kardiovaskulären Risikos Betroffener werden jährliche Blutdruck- und Gewichtsmessungen empfohlen sowie eine Bestimmung des Lipidprofils und Überprüfung des Zuckerstoffwechsels bei Diagnosestellung. Außerdem wird die Durchführung einer Knochendichtemessung bei Diagnosestellung aufgrund des erhöhten Osteoporoserisikos angeraten. Betont wurde auch, dass sich eine HRT bis zum physiologischen Menopausealter positiv auf den Knochenstoffwechsel, das kardiovaskuläre System sowie das Demenzrisiko auswirken kann.

Ist die frühzeitige Menopause eine andere Erkrankung als die prämature Ovarialinsuffizienz?

Dr. Panagiotis G. Anagnostis aus Thessaloniki stellte die frühzeitige Menopause (early menopause, EM), definiert als Eintritt der Menopause zwischen 40 und 45 Jahren, der prämaturen Ovarialinsuffizienz (POI), definiert als Eintritt der Menopause unter 40 Jahren, gegenüber. In einem systematischen Review und einer Meta-Analyse (Muka et al., 2016) konnte ebenso wie bei POI für die EM ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko gezeigt werden sowie ein erhöhtes Risiko für Typ-II-Diabetes (Anagnostis et al., 2019). In einer Studie aus dem letzten Jahr (Jones et al., 2024) konnte sowohl für die EM als auch für die POI ein erhöhtes Osteoporose- und Frakturrisiko im Vergleich zu Frauen im physiologischen Menopausealter gezeigt werden. Ein Review aus diesem Jahr (Anagnostis et al., 2025) zeigte auch ein erhöhtes Demenzrisiko bei natürlicher EM, nicht bei iatrogen bedingter EM. Dieses ist bereits für POI-Patientinnen bekannt. Der positive Effekt einer Hormonersatztherapie auf den Knochen und das kardiovaskuläre System wurde sowohl bei der POI als auch bei der EM nachgewiesen.

Aufgrund des ähnlichen Risikoprofils sprach sich Anagnostis dafür aus, zukünftig nicht mehr POI und EM getrennt voneinander zu betrachten, sondern zusammenzufassen und POI statt bisher unter 40 Jahre, bis unter 45 Jahre zu definieren.

Fazit: Insgesamt ein sehr spannender Kongress unter anderem mit Fokus auf die gravierenden Spätfolgen bei früh- oder vorzeitigem Eintreten der Menopause ohne adäquate, individuell angepasste Hormonersatztherapie.

Quellen:

  • Anagnostis P et al. Early menopause and premature ovarian insufficiency are associated with increased risk of type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis. Eur J Endocrinol. 2019 Jan 1;180(1):41-50
  • Anagnostis P et al. Is Early Menopause a Different Entity From Premature Ovarian Insufficiency? Clin Endocrinol (Oxf). 2025 Jan;102(1):67-74.
  • Fournier A et al. Unequal risks for breast cancer associated with different hormone replacement therapies: results from the E3N cohort study. Breast Cancer Res Treat. 2008 Jan;107(1):103-11.
  • Freeman EW et al. Longitudinal pattern of depressive symptoms around natural menopause. JAMA Psychiatry. 2014 Jan;71(1):36-43
  • Hickey H et al. What happens after menopause? (WHAM): A prospective controlled study of depression and anxiety up to 12 months after premenopausal risk-reducing bilateral salpingo-oophorectomy. Gynecol Oncol. 2021 May;161(2):527-534
  • Jones AR et al. Bone health in women with premature ovarian insufficiency/early menopause: a 23-year longitudinal analysis. Hum Reprod. 2024 May 2;39(5):1013-1022
  • Muka T et al. Association of Age at Onset of Menopause and Time Since Onset of Menopause With Cardiovascular Outcomes, Intermediate Vascular Traits, and All-Cause Mortality: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Cardiol. 2016 Oct 1;1(7):767-776