Diagnose eines Testosteronmangels

Aufgrund der variablen klinischen Ausprägung sowie der geringen Spezifität der Symptome, kann der männliche (Alters-)Hypogonadismus einer Diagnose entgehen. Bereits bei Verdacht auf einen Mangel sollte daher der Testosteronspiegel bestimmt werden.


Bei der Laboruntersuchung ist der Hypogonadismus durch wiederholt niedrige Gesamttestosteron-Konzentrationen gekennzeichnet, die gewöhnlich entweder mit erhöhten LH- und FSH-Konzentrationen (primärer Hypogonadismus) oder niedrigen bzw. normalen LH- und FSH-Konzentrationen (sekundärer Hypogonadismus) einhergehen.1

Empfehlungen der Fachgesellschaften

Obgleich es keine allgemein anerkannte Untergrenze des Normbereichs für Testosteron gibt2, empfehlen sowohl ISSAM als auch EAU einen Grenzwert von 12,1 nmol/l für das Gesamttestosteron3,4. Bei Männern mit Gesamttestosteron-Spiegeln nahe dem unteren Normbereich (8–12 nmol/l) sollte laut EAU zusätzlich der freie Testosteron-Spiegel bestimmt werden, um die Aussagekraft der Laborbestimmung zu verstärken. Als Grenzwert für das freie Testosteron werden 243 pmol/l empfohlen4.

Laboruntersuchungen und Herausforderungen bei der Bestimmung der Testosteronspiegel

Die exakte Bestimmung des Testosteronspiegels ist mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden. In Stellungnahmen unter Federführung der Endocrine Society der USA wurde festgestellt, dass die Art und Weise, in der die meisten Assays für Gesamt- und freies Testosteron gehandhabt werden, nicht zufriedenstellend ist.5,6 Daher empfiehlt die Endocrine Society in ihrer aktuellen klinischen Praxisleitlinie im Optimalfall eine Messmethode, die von einem Qualitätskontrollprogramm zertifiziert wurde (z. B. durch das CDC Hormone Standardization Program for Testosterone)7. Generell sollte die Laboruntersuchung auf der Fähigkeit basieren, Proben mit bekanntem Testosterongehalt exakt und präzise zu bestimmen. Ein Vergleich der Ergebnisse aus 891 Labors, in denen 11 verschiedene Testmethoden verwendet wurden, ergab, dass der mediane Gesamttestosteron-Spiegel, der in einer einzelnen Qualitätskontrollprobe gemessen wurde, zwischen den verschiedenen Methoden in einem Bereich von 2,15 bis 3,75 ng/ml lag, wohingegen die Ergebnisse aus den verschiedenen Labors zwischen 1,60 und 5,08 ng/ml schwankten.5

Diese Ergebnisse decken den Bereich zwischen normalen und hypogonadalen Spiegeln ab und machen deutlich, wie wichtig es derzeit für einzelne Labors ist, ihren eigenen Referenzbereich für Testosteron festzulegen. Als weiterer Faktor ist z. B. auch zu bedenken, zu welcher Tageszeit die Blutprobe abgenommen wurde. Obgleich die zirkadianen Effekte, besonders die auf das Gesamttestosteron, bei älteren Männern weniger ausgeprägt sind8, ist eine Blutentnahme für das freie oder bioverfügbare Testosteron am frühen Morgen (vor 10 Uhr) zu empfehlen.9 Darüber hinaus können die Testosteron-Spiegel durch Nahrungsaufnahme oder Glukose unterdrückt werden7. Folglich sollte der Gesamttestosteron-Spiegel an zwei separaten Zeitpunkten morgens und nüchtern mit einer zuverlässigen Methode bestimmt werden4,7. Ebenfalls zu beachten ist, dass bei Männern, die sich von einer akuten Krankheit erholen oder die eine kurzfristige medikamentöse Behandlung erhalten, die den Testosteron-Spiegel senken kann (z. B. Opioide), keine Testosteron-Bestimmung erfolgen sollte7. Bei Männern mit einem Gesamttestosteron-Spiegel im unteren Normbereich (8–12 nmol/l) oder mit Verdacht auf veränderte SHBG-Spiegel wird empfohlen, zusätzlich den freien Testosteron-Spiegel zu bestimmen4,7. Die Bestimmung des freien Testosterons sollte mittels Equilibriumdialyse oder rechnerisch mit Hilfe der Konzentrationen des Gesamttestosterons, SHBG und Albumins erfolgen (siehe „Kalkulator für freies Testosteron“)7. Die EAU legt für freies Testosteron einen Grenzwert von 243 pmol/l nahe, um zwischen normalen Spiegeln und solchen, die möglicherweise mit einem Testosteron-Mangel assoziiert sind, zu unterscheiden4.

Algorithmus für die Diagnose eines Altershypogonadismus

In der Abbildung 1 sind die Algorithmen für die Diagnose und die Behandlung des Altershypogonadismus zusammengefasst, die von ISSAM und der EAU entwickelt wurden.

Diagnose und Behandlung des Altershypogonadismus

Abbildung 1: Diagnose, Formen und Behandlungsoptionen eines Hypogonadismus (modifiziert nach Dohle et al. 20174 und Bhasin et al. 20187).* z. B. verminderte Libido, erektile Dysfunktion, Antriebslosigkeit, depressive Verstimmung, reduzierte Muskelmasse, viszerales Übergewicht, verminderte Körperbehaarung; ** z. B. systemische Erkrankungen, Missbrauch von Drogen oder anaboler Steroide, Fehlernährung; *** Adipositas, metabolisches Syndrom, Typ-2-Diabetes u. a.; **** NYHA IV = Klasse IV der New York Heart Association; FT = freies Testosteron, FSH = Follikel-stimulierendes Hormon, LH = Luteinisierendes Hormon, SHBG = Sexualhormon-bindendes Globulin, T = Gesamttestosteron.

  1. Morgentaler, A, et al. (Jul. 2016). “Fundamental Concepts Regarding Testosterone Deficiency and Treatment: International Expert Consensus Resolutions.” Mayo Clin Proc, pp. 881-96.

  2. Nieschlag, E., et al. (2004, Sep-Oct). Testosterone replacement therapy: current trends and future directions. Hum Reprod Update , 10 (5), pp. 409-19.

  3. Lunenfeld, B et al. (2015). Recommendations on the diagnosis, treatment and monitoring of hypogonadism in men. Aging Male, 18(1), pp. 5-15.

  4. Dohle G et al. (2019). EAU Guidelines on Male Hypogonadism. European Association of Urology. Online unter: https://d56bochluxqnz.cloudfront.net/media/EAU-Guidelines-on-Male-Hypogonadism-2019v2.pdf. Letzter Zugriff: 28.06.2022.

  5. Rosner, W., et al. (2007, Feb). Position statement: Utility, limitations, and pitfalls in measuring testosterone: an Endocrine Society position statement. J Clin Endocrinol Metab , 92 (2), pp. 405-13.

  6. Rosner, W., et al. (2010, Oct). Toward excellence in testosterone testing: a consensus statement. J Clin Endocrinol Metab , 95 (10), pp. 4542-8.

  7. Bhasin, S. et al. (2018). Testosterone Therapy in Men With Hypogonadism: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab, 103(5), pp. 1715-44.

  8. Crawford, E., Barqawi, A., O'Donnell, C., & Morgentaler, A. (2007, Sep). The association of time of day and serum testosterone concentration in a large screening population. BJU Int , 100 (3), pp. 509-13.

  9. Guay, A., Miller, M., & McWhirter, C. (2008, Mar-Apr). Does early morning versus late morning draw time influence apparent testosterone concentration in men aged > or =45 years? Data from the Hypogonadism In Males study. Int J Impot Res , 20 (2), pp. 162-7.

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