Welche oralen hormonellen Kontrazeptiva gibt es?

Bei den kombinierten oralen Kontrazeptiva wird zwischen einphasigen und mehrphasigen Präparaten unterschieden. Zudem stehen auch reine Gestagenpillen zur Verfügung.


Orale hormonelle Kontrazeption

Kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK)

Estrogen-Gestagen-Kombinationspräparate enthalten ein Estrogen sowie Gestagen. Meist handelt es sich bei beiden Komponenten um synthetische Hormone, die dem natürlichen Estradiol und Progesteron ähneln. Ein paar wenige Präparate enthalten allerdings als Estrogenkomponente kein Ethinylestradiol, sondern bioidentisches Estradiol oder Estetrol. Kombinationspillen beruhen auf folgenden Wirkmechanismen zur Kontrazeption:1,2,3

  • Unterbindung des Eisprungs (Ovulationshemmung, Hauptmechanismus)
  • Veränderungen der Konsistenz des Zervixschleims, was den Eintritt von Spermien in die Gebärmutter erschwert (Hemmung der Spermienaszension)
  • Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut, sodass keine Einnistung einer befruchteten Eizelle erfolgen kann (Nidationshemmung)

Die kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) werden unterschieden in Einphasenpräparate bzw. Einstufenpräparate und mehrphasige bzw. mehrstufige Präparate (es werden beide Bezeichnungen verwendet). Das hauptsächlich eingesetzte Estrogen ist Ethinylestradiol, welches mit verschiedenen Gestagenen kombiniert wird. In den meisten KOK ist das Gestagen in einer deutlich über der Ovulationshemmdosis liegenden Dosierung enthalten, sodass eine sichere Kontrazeption auch ohne Rücksicht auf die Estrogenkomponente gegeben ist.1,2

Bei Einphasenpräparaten bzw. Einstufenpräparaten enthält jede Tablette die gleiche Menge an Estrogen und Gestagen (Abb. 1). Sie stellen heute den Hauptanteil der verordneten kombinierten oralen Kontrazeptiva dar, da sie einfacher zu handhaben sind als Mehrphasenpräparate und damit zu einer hohen kontrazeptiven Sicherheit beitragen. Die übliche Einnahme erfolgt über einen Zeitraum von 21 Tagen, gefolgt von einer 7-tägigen Einnahmepause mit Blutung. Des Weiteren gibt es Präparate mit einem 24/4-Einnahmeschema, also mit einer kürzeren Pause. Eine biologische Notwendigkeit für diese 4- bis 7-tägige Pause besteht allerdings nicht, sodass Einphasenpräparate in besonderem Maße für den Einsatz im Langzyklus und bei gewünschten Zyklusverschiebungen geeignet sind. Im Vergleich zu den Mehrphasenpräparaten enthalten Einphasenpräparate tendenziell eine geringere Estrogendosis, bewirken aber trotzdem eine gute Zyklusstabilität.1,2,3

Mehrphasige bzw. mehrstufige Präparate stellen Modifikationen der Kombinationspräparate dar. Bei Zweiphasenpräparaten ist die Gestagendosis in der ersten Einnahmehälfte bei gleichbleibender Estrogendosis im Vergleich zur zweiten Einnahmehälfte erniedrigt. Bei Dreiphasenpräparaten sind die Estrogendosierungen bei bis zur letzten Phase steigenden Gestagendosen variabel (Abb. 1). In ihrer Wirkweise sind sie mit den Einphasenpräparaten vergleichbar. Allerdings ist die Anwendung komplizierter als bei Einphasenpräparaten, insbesondere bei Vergessen der Einnahme: Es ist dann schwierig zu entscheiden, mit welcher Dosiskombination die Einnahme fortgesetzt werden soll.1,2,3

Insofern stellen Einphasenpräparate meist die Therapie der ersten Wahl dar. Die Ersteinstellung einer Patientin sollte möglichst immer mit einem Einphasenpräparat erfolgen. Andere kombinierte Präparate können in Ausnahmefällen hilfreich sein, um eine ansonsten nicht stabile Zyklussituation zu kontrollieren.1

Außerdem ist ein Vierphasenpräparat zur Kontrazeption erhältlich, welches anstelle von Ethinylestradiol natürliches Estradiol enthält (Abb. 1). Von den vier Phasen gibt es zwei Phasen in denen die Tabletten nur Estradiolvalerat enthalten und zwei Phasen mit einer Kombination aus verschiedenen Dosierungen des Gestagens Dienogest und Estradiolvalerat. In den 26 Tagen mit hormonhaltiger Tabletteneinnahme sinkt die Estrogendosis stufenweise, während die Gestagendosis schrittweise ansteigt.1,2

Abb. 1: Zusammensetzung der verschiedenen kombinierten oralen Kontrazeptiva über den Einnahmezyklus. Modifiziert nach Aberl & Thaler 2021.1

Orale Gestagenmonopräparate

Neben den kombinierten oralen Präparaten gibt es auch orale Gestagenmonopräparate. Diese werden auch als Gestagenpillen, estrogenfreie Pillen, Minipillen oder „Progestogen-only-Pills, POP“ bezeichnet. Mit dem Begriff „Minipille“ ist streng genommen nur die Levonorgestrel-haltige Pille ohne zuverlässige Ovulationshemmung gemeint. Häufig werden die Bezeichnungen jedoch auch synonym verwendet.1,2,3,4,5

Die Vorteile von estrogenfreien hormonellen Kontrazeptiva, zu denen die Gestagenpillen zählen, sind die Vermeidung von estrogenbedingten Nebenwirkungen (z.B. Übelkeit, Ödeme, Gewichtszunahme, Mastodynie) sowie zyklusabhängigen Beschwerden (z.B. Dysmenorrhö, prämenstruelles Syndrom, Hypermenorrhö, menstruelle Migräne). Zudem können sie breiter angewendet werden. So sind sie beispielsweise auch für Frauen mit Hypertonie, Thrombophilien, Migräne ohne Aura sowie Raucherinnen und stillende Frauen geeignet. Ebenso können sie angewendet werden bei Zuständen, bei denen eine Therapie mit Estrogenen kontraindiziert ist (z.B. Zustand nach Thrombose, Herzinfarkt, Schlaganfall, Lebertumoren).4

Der Verzicht auf Estrogene in hormonellen Kontrazeptiva hat vor allem zum Ziel, die oben genannten estrogenbedingten Nebenwirkungen, insbesondere das Thromboserisiko, aber auch andere estrogenassoziierte Symptome zu minimieren.4

Die Effektivität der Minipille ist stark von der Compliance der Patientin abhängig. Sie ist sehr niedrig dosiert – mit 30 µg Levonorgestrel pro Tablette liegt die Dosis unter der Ovulationshemmdosis von Levonorgestrel (60 µg). Somit führt die Einnahme der Minipille zu keiner suffizienten Ovulationshemmung. Der kontrazeptive Effekt beruht auf Veränderungen des Zervixschleims, der Spermien- und Tubenmotilität. Neben den höher dosierten reinen Gestagenpillen mit Ovulationssuppression wird die Minipille in der Laktationsperiode eingesetzt oder bei Kontraindikationen für synthetische Estrogene.3

Aufgrund der zeitlich exakten Einnahmenotwendigkeit stellt eine niedrige Compliance der Patientin eine absolute Kontraindikation dar. Da die kontrazeptive Sicherheit sehr von der Exaktheit der Anwendung abhängt, schwanken die Angaben zum Pearl-Index zwischen 0,5 und 3. Einnahmeverzögerungen von bereits drei Stunden gewähren keine sichere Kontrazeption mehr. Die zyklische Blutungskontrolle ist im Vergleich zu Kombinationspillen deutlich schlechter mit häufigen Durchbruchblutungen. Zudem treten funktionelle Zysten öfter auf. Vorteilhaft ist jedoch die geringe Dosierung und der fehlende Effekt auf die Gonadotropine.3

Als weitere estrogenfreie Pille steht ein Präparat mit 75 µg Desogestrel zur Verfügung. Die Desogestrel-Pille bewirkt eine komplette Ovulationshemmung und wirkt außerdem über die drei peripheren Parameter Tube, Endometrium und Zervix. Die kontrazeptive Sicherheit ist sehr gut und vergleichbar mit derjenigen von Kombinationspräparaten. Bei vergessener Einnahme kann diese zudem innerhalb von zwölf Stunden nachgeholt werden.4

Die Desogestrel-Pille ist geeignet für Frauen aller Altersgruppen. Darüber hinaus eignet sie sich für Patientinnen mit bestimmten Indikationen wie:4

  • zyklusabhängige Beschwerden: menstruelle Migräne, prämenstruelles Syndrom (PMS), Pelvipathia spastica, Dysmenorrhö, Hypermenorrhö
  • estrogenabhängige Beschwerden: Adipositas, Neigung zu Ödemen, Uterus myomatosus, Endometriose
  • Stillzeit
  • Risikofaktoren oder Erkrankungen, die eine Kontraindikation für Estrogen-Gestagen-Kombinationspräparate darstellen

Die Desogestrel-Pille ist in der Regel gut verträglich. Wegen der androgenen Partialwirkung von Desogestrel ist diese Pille jedoch nicht geeignet für Frauen mit Seborrhö, unreiner Haut oder Akne. Auch für Frauen mit rezidivierenden Blutungsstörungen ist sie keine günstige Option. Das Blutungsverhalten ist wie bei allen Gestagenpräparaten, die ohne Pause angewendet werden, nicht vorhersehbar. Es können sowohl regelmäßige schwache Blutungen als auch irreguläre und Dauerblutungen oder langanhaltende Amenorrhöen auftreten. Auch bei langjähriger Einnahme der Desogestrel-Pille wird die endogene Estradiolproduktion nicht so stark unterdrückt, dass eine Osteoporose zu befürchten wäre.5,6

Eine weitere Alternative ist die seit April 2021 in Deutschland verfügbare estrogenfreie Pille mit 4 mg Drospirenon. Diese wird im Gegensatz zu den anderen beiden Gestagenpillen nicht kontinuierlich, sondern im 24/4-Einnahmeschema angewendet. Damit wollte man dem häufigen Problem von unerwünschten Zwischenblutungen der Gestagenpillen begegnen. Die Drospirenon-Pille zeigte im Vergleich zur estrogenfreien Pille mit 75 µg Desogestrel ein zufriedenstellendes Blutungsmuster: Die Gesamtzahl an Tagen mit Blutungen und Spottings war unter Drospirenon in den ersten vier Behandlungszyklen deutlich niedriger als unter Desogestrel. Zudem beendeten signifikant weniger Frauen in der Drospirenon-Gruppe die Verhütungsmethode wegen Blutungsstörungen. Die Drospirenon-Pille ist zudem die erste estrogenfreie Pille, die ein antiandrogenes Gestagen enthält.5,6

  1. Aberl C. & Thaler C. Empfängnisverhütung: Welche Methode für welches Paar? MMW - Fortschritte der Medizin 2021; 163: 52–61.

  2. Wiegratz, I., & Thaler, C. (2011, Jul). Hormonal contraception: what kind, when, and for whom? Dtsch Arztebl Int, 108(28-29), pp. 495-506.

  3. Strowitzki T. & Rabe T. Hormonale Kontrazeption. Gynäkologe 2005; 38: 1007-1020.

  4. Ahrendt, H. (2009). Estrogenfreie hormonale Kontrazeption: Gestagen-only-Systeme. Gynakol Geburtsmed Gynakol Endokrinol, 5(3), S. 152–66.

  5. Fessler B. Die Zukunft der Kontrazeption ist estrogenfrei. gynäkologie + geburtshilfe 2021; 26 (4): 60.

  6. Apter D. et al. Multicenter, open-label trial to assess the safety and tolerability of drospirenone 4.0 mg over 6 cycles in female adolescents, with a 7-cycle extension phase. Contraception. 2020; 101(6):412-419.

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