Hypogonadale Männer weisen generell ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) auf. [2,3] Auf der anderen Seite haben Typ-2-Diabetiker im Vergleich zu Nicht-Diabeti-kern auch signifikant niedrigere Testosteronspiegel. [5] Zwischen Testosteron und T2DM besteht also eine wechselseitige Beziehung, die in der T4DM-Studie näher beleuchtet wurde. [4] Randomisiert, placebokontrolliert und doppelblind wurden Männer im Alter zwischen 50 und 74 Jahren über einen Zeitraum von zwei Jahren untersucht, die einen Bauchumfang von mindestens 95 cm und einen Serum-Testosteronspiegel von ≤ 14,0 nmol/l aufwiesen (aber unter keinem manifesten Hypogonadismus litten). [4] Zudem mussten die Studienteilnehmer entweder eine gestörte Glukosetoleranz ohne T2DM-Diagnose haben (2h-Glucose-Wert im oralen Glucosetoleranztest [OGTT] ≤ 270 mg/dl) oder kürzlich mit T2DM diagnostiziert worden sein. Alle Männer nahmen an einem Lebensstil-Programm teil (von WW, ehemals „Weight Watchers“). Zusätzlich erhielten sie randomisiert entweder Testosteronundecanoat (TU) i.m. alle drei Monate für zwei Jahre (2. Dosis zur Auftitrierung nach sechs Wochen; n = 504) oder Placebo (n = 503). [4]
Bessere Glucose-Werte mit Testosteron – vergleichbar mit Metformin
Nach zwei Jahren litten im Vergleich zur Placebo-Gruppe signifikant weniger Patienten der Testosteron-Gruppe an einem T2DM (12 % vs. 21 %). Bei über der Hälfte der Testosteron-Patienten normalisierte sich der Blutzucker völlig (52 % vs. 43 % in der Placebo-Gruppe). Zudem zeigten sich in der Testosteron-Gruppe auch signifikante Effekte bei zahlreichen sekundären metabolischen Parametern (u.a. Abnahme von Bauchumfang, Gesamt-Körperfett und Viszeralfett sowie Anstieg der Gesamt-Muskelmasse und Muskelkraft). [4]
Bei 22 % der Patienten kam es unter Testosteron zu einem Hämatokrit-Anstieg (Hkt) auf ≥ 54 % – im Vergleich zu 1 % in der Placebo-Gruppe. [4] Der mit i.m.-TU beobachtete unerwünschte Hkt-Anstieg könnte, so ein Fazit der Autoren, die Therapiemöglichkeiten limitieren. [4] Es ist bekannt, dass Testosteronpräparate bei unzureichender patientenindividueller Einstellung das Risiko eines Hkt-Anstiegs oberhalb des Normbereiches erhöhen können. Im Rahmen der T4DM-Studie wurde aus mehreren Gründen bewusst auf eine Dosisanpassung während des Therapieverlaufs (bei TU-Depotinjektionen durch Änderung des Injektionsintervalls alle paar Monate) verzichtet. [4] Beim Einsatz von Präparaten mit kürzerer Wirksamkeitsdauer, beispielsweise den ebenfalls häufig verschriebenen transdermalen Testosteron-Gelen, kann die Dosis hingegen sehr kurzfristig und an den individuellen Testosteron-Bedarf des Patienten angepasst werden, was das Risiko einer Hkt-Erhöhung reduziert. [2,6]
Besonders interessant war ein Vergleich mit dem etablierten First-line-Antidiabetikum Metformin, den die Autoren anstellten [4]: Der antidiabetische Effekt von Testosteron sei in der Studie größer gewesen als der von Metformin im „Diabetes Prevention Program“ [7].
Fazit
- Zwischen Testosteron und Typ-2-Diabetes besteht ein bidirektionaler Zusammenhang. [4]
- Die T4DM-Studie zeigt, dass eine Therapie mit Testosteronundecanoat (i.m.) bei Prädiabetikern das Risiko für die Entwicklung eines manifesten Typ-2-Diabetes reduziert (zusammen mit einem Lebensstil-Programm). [4]
- In der Studie sah man bei 22 % der mit Testosteron Behandelten einen Hämatokrit-Anstieg auf ≥ 54 % – eine der bekanntesten Nebenwirkungen einer Testosterontherapie, die tendenziell häufiger auftritt, wenn keine individuelle Dosisanpassung erfolgt. [2,4,6]
- Der „anti-diabetische“ Effekt der Testosterontherapie war mit Metformin vergleichbar. [4,7]
Referenzen
[1] Schneider HJ et al. Prevalence of low male testosterone levels in primary care in Germany: cross-sectional results from the DETECT study. Clin Endocrinol. 2009; 70(3): 446-454
[2] Dohle GR et al. EAU-Leitlinie „Männlicher Hypogonadismus“. J Reproduktionsmed Endokrinol 2020; 17 (2): 66-85
[3] Traish AM et al. The dark side of testosterone deficiency: II. Type 2 diabetes and insulin resistance. J Androl 2009; 30: 23-32
[4] Wittert G et al. Testosterone treatment to prevent or revert type 2 diabetes in men enrolled in a lifestyle programme (T4DM): a randomised, double-blind, placebo-controlled, 2-year, phase 3b trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2021; 9: 32-45
[5] Corona G et al. Type 2 diabetes mellitus and testosterone: a meta-analysis study. Int J Androl 2011; 34: 528-40
[6] Salonia A et al. EAU Guidelines on sexual and reproductive health. Online unter: https://uroweb.org/guideline/sexual-and-reproductive-health (letzter Zugriff am 25.01.2021)
[7] Diabetes Prevention Program Research Group. Reduction in the incidence of type 2 diabetes with lifestyle intervention or metformin. N Engl J Med 2002; 346: 393-403