„Reproduktionsmedizin at its best“: Zusammenfassung und Praxis-Fazits vom ESHRE-CAMPUS 2022 – Fokus: Lutealphasensupport

Auch im Jahr 2022 veranstaltete die European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) wieder ihre CAMPUS-Workshops – dieses Jahr in Lübeck. Das übergreifende Thema war diesmal: „A focus on the luteal phase: hormonal control of the window of implantation and beyond“. Frau Dr. med. Anette Siemann vom Fertility Center Berlin war vor Ort und berichtet von ihren Highlights des ESHRE-CAMPUS 2022.


In der Session „Grundlagen Lutealphasenunterstützung (LPS)“ legte Prof. Peter Humaidan, Skive, Dänemark, in seinem Vortrag „Luteal phase characteristics: spontaneous vs. stimulated cycle“ dar, dass nach einem hCG-Triggering der Progesteronpeak ca. zwei Tage nach Punktion erreicht wird. Demzufolge kommt es bis zum Zeitpunkt des Embryotransfers zu einem Abfall des Progesteronserumwertes. Daher ist es entscheidend Progesteron zu substituieren und so die bestmöglichen Implantationsbedingungen herzustellen.

Nach GnRH-Triggering zeigt sich der LH-Peak nach etwa zwölf Stunden, und spätestens nach 36 Stunden ist LH bereits ausgewaschen. Sinkende LH-Level führen jedoch zu einer sinkenden Schwangerschaftsrate. Progesteron erreicht seinen Peak im Serum nach ein bis zwei Tagen, um nach drei bis vier Tagen dann wieder komplett abgefallen zu sein. Daher benötigt man nach der GnRH-Auslösung neben dem hCG-Trigger auch eine Progesteronsubstitution. Denn niedrige Progesteronwerte reduzieren die LBR (Lebendgeburtsrate) um 12 %. Am Tag 9 nach Punktion sollte bei niedrigem Progesteronniveau Progesteron unbedingt weiter substituiert werden, denn je niedriger das Progesteron, desto höher das Risiko für einen Schwangerschaftsverlust.

Seine Schlussfolgerungen fasste er wie folgt zusammen:

  • Monitoring mid-luteal progesterone levels in fresh and frozen embryo transfer cycles – the future way to increase reproductive outcomes
  • Lower cut-off of mid-luteal progesterone of:
    • 50 ng/ml in fresh transfer cycles
    • 10 ng/ml in frozen embryo transfer cycles
  • Awaiting more results from fresh transfer cycles

 

Prof. Georg Griesinger, Lübeck, stellte in seinem Vortrag „Luteal phase support after ovarian stimulation for ART – is there a gold standard?“ die Frage nach dem besten Vorgehen bei der Stimulation der ART (assistierte Reproduktionstherapie) für die Lutealphasenunterstützung. Nach hCG-Gabe ist dieses nach vier Tagen ausgewaschen, parallel kann man einen Progesteronanstieg feststellen. Es bestehen hier jedoch hohe individuelle Schwankungen, sowohl innerhalb einzelner Zyklen der Patientinnen als auch Stimulationsprotokoll-bedingt. Griesinger schlussfolgerte daraus, dass der individuelle Lutealphasensupport beachtet und genauer untersucht werden muss.

Dies unterstützt auch eine Cochrane-Analyse zum Thema „Progesteron vs. Placebo“ aus 2015: Nach Stimulation und hCG-Triggering war die Schwangerschaftsrate mit Progesteronunterstützung höher (Odds Ratio 1,9), aber Frauen wurden auch unter Placebo schwanger bzw. auch dann, wenn sie gar keine Medikation in der Lutealphase erhalten hatten (23 % vs. 14 % Schwangerschaftsrate). Trotzdem ist der Goldstandard nach dieser Analyse heute die vaginale Applikation von Progesteron.

Siemanns Fazit für die Praxis (1): Die verstärkte individuelle Betrachtung der Progesteronentwicklung in der Corpus-luteum-Phase ist sicherlich sinnvoll. Fraglich ist jedoch, inwieweit eine solche individualisierte Betrachtung in den Praxisalltag zu integrieren ist. Häufig wird der Progesteronserumwert nur einmal gemessen und in Abhängigkeit vom Ergebnis die Dosis einmalig entsprechend angepasst.

In der Sitzung zum Thema „Freeze-all-Strategie bei der Kryokonservierung“ stellte Prof. Efstratios Kolibianakis, Thessaloniki, Griechenland, die Frage, weshalb der FET (frozen-thawed embryo transfer) nicht als neue Form der IVF-Therapie angesehen werde? Die Kryoaufbewahrung der Embryos ermöglicht es, einen oder mehrere Embryos im bzw. nach dem laufenden Zyklus in den Uterus einzusetzen. So kann der natürliche Zyklus in seiner physiologischen hormonellen Abfolge genutzt werden. Ein Vorteil ist, dass mit einer ART-Behandlung sukzessive Embryonen über die Zeit transferiert werden können.

In der vorgestellten Metaanalyse von Bosdou (2019) zeigt sich für „High Responder“ (3.389 Patientinnen) eine Steigerung der LBR (OR 1,18) und eine deutliche Reduzierung des OHSS (Ovarielles Überstimulationssyndrom) auf nahezu 0 %. Für „Normal Responder“ (1.608 Patientinnen) war die LBR zwar nicht signifikant höher, aber dafür die Senkung des OHSS-Risikos. Eine Studie von Vuong (2020) zeigte keinen Entwicklungsunterschied der Kinder nach Fresh-ET (120) vs. Frozen-ET (147). Er schlussfolgerte, dass „Freeze all“ nicht zu einer Kostensteigerung führt. „Freeze all“ ist vielmehr geeignet für alle High-Responder-Patientinnen (hypothalamisch/hypophysär) und bei Progesteronanstieg am hCG-Tag.

Zum Thema der Lutealphasenunterstützung in HRT-Kryozyklen und eine mögliche Substitution des Progesterons über andere Applikationswege stellte Prof. Elena Labarta, Valencia, Spanien in Ihrem Vortrag „Artificially prepared endometrium for frozen embryo transfer: optimal protocol and management“ die Ergebnisse ihrer Studie vor und leitete davon praktische Empfehlungen ab.

So lag in der aktuellen Studie der Schwellenwert von Progesteron vor Embryotransfer bei 8,8 ng/ml (2021). Im Vergleich dazu lag er 2017 über 9,2 ng/ml. Idealerweise sollte daher ein Tag vor Embryotransfer der Progesteronwert gemessen werden, um bei Frauen mit erniedrigten Progesteronwerten die Erfolgsrate durch individuelle Anpassung der Medikation zu verbessern.

Labarta zufolge weist trotz Gabe von vaginalem Progesteron rund ein Drittel der Patientinnen erniedrigte Progesteronwerte auf. Ziel sei es, diese Frauen zu identifizieren, um über andere Applikationswege (i.m., s.c., oral), eine Dosissteigerung oder einen Wechsel des Progesterontyps die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Auf jeden Fall sollte der Transfer erst nach fünf vollen Progesteron-Applikationstagen am Tag 6 erfolgen.

Prof. Isabelle Cedrin-Durnerin, Frankreich, stellte in ihrem Vortrag „Natural/modified cycle for preparing endometrium for frozen-thawed embryo transfer: optimal protocol and management“ dar, dass aus wissenschaftlicher Sicht zur Vorbereitung des FET (frozen-thawed embryo transfer) der natürliche Zyklus das Optimum darstellt. Der natürliche Zyklus bietet weniger Risiken für die Kinder und verzichtet auf Medikamente für die Patientin.

Allerdings ist die LH-Welle nicht eindeutig definiert, sodass das hCG-Triggering für die Festlegung des Ovulationszeitpunkts praktikabel ist. Progesteron unterstützend zu geben, erhöht die klinische Schwangerschaftsrate und Lebendgeburtenrate (LBR) durch bessere Synchronität zwischen Embryo und Endometrium. Ziel der Behandlung im natürlichen Zyklus ist es daher, die Kindsgesundheit zu verbessern, und des hCG-Triggerings, das Monitoring zu vereinfachen (was bei spontaner LH-Welle jedoch unnötig ist). Eine Progesteronunterstützung ist sinnvoll, um eine versteckte Lutealinsuffizienz zu korrigieren.

Siemanns Fazit für die Praxis (2): Freeze-all ist bei Frauen mit drohendem OHSS sinnvoll, denn diese profitieren von einem FET im möglichst natürlichen Zyklus im Anschluss an die ART.

Prof. Frauke von Versen-Hoeynck, Hannover, beleuchtete in ihrem Vortrag „Role of corpus luteum beyond progesterone production“ die Rolle des Corpus luteum. Die hormonelle Leistung des Corpus luteum ist zwischen der 7. und 10. Schwangerschaftswoche (SSW) am höchsten – dann übernehmen die plazentaren Hormone die Aufrechterhaltung der Schwangerschaft (Luteoplazentarer Shift).

In einer von ihrer Arbeitsgruppe durchgeführten Studie (2019) konnte gezeigt werden, wie der Mangel an Corpus-luteum-Progesteron das Präeklampsierisiko erhöht. 9,6 % der Patientinnen ohne Corpus luteum entwickelten eine Präeklampsie. Ursache war, so die Vermutung, die veränderte vaskuläre Situation: Die endotheliale Funktion ist schlechter, die arterielle Starrheit der Gefäße größer, und die für die Hämostase verantwortlichen Vorläuferzellen zirkulieren weniger bei Schwangerschaften im programmierten HRT-Zyklus als im Vergleich zum natürlichen Zyklus. Als Folge kommt es durch die verminderte periphere Vasodilatation, den erhöhten peripheren Widerstand und die Starrheit des ateriellen Schenkels zur Erhöhung des Blutdrucks in der Schwangerschaft. Ziel ist es daher, das Präeklampsierisiko im FET-Zyklus zu senken, indem der natürliche Zyklus oder ein niedrig stimulierter Zyklus als Vorbereitung zum Embryotransfer dem programmierten HRT-Zyklus vorgezogen wird.

Siemanns Fazit für die Praxis (3): Besonderes Augenmerk ist auf den natürlichen Zyklus bzw. einen modifizierten natürlichen Zyklus für den Embryotransfer zu legen, um unnötige Risiken von Mutter und Kind abzuwenden: Natürlicher Zyklus bzw. modifizierter natürlicher Zyklus bei FET und SET (Single Embryo Transfer), LH-Welle messen und an Tag 6 den Embryo transferieren.

In der Abschluss-Session referierte Prof. Georg Griesinger, Lübeck, im Vortrag „The luteo-placental shift: what we know and what we don’t know“ über den Luteoplazentaren Shift. Griesinger hob hier die „abortschützende Wirkung“ von Progesteron in der Corpus-luteum-Phase hervor. Auch im späteren Verlauf der Schwangerschaft kann vaginal appliziertes Progesteron das Risiko einer Frühgeburt senken.

Embryo, Corpus luteum und Plazenta kommunizieren und regulieren sich gegenseitig, wobei Progesteron, so Griesinger, eigentlich ab ca. der 7./8. SSW abgesetzt werden könnte – aber wegen der starken Variation in der Progesteronbildung in der Plazenta sollte Progesteron auf keinen Fall zu früh abgesetzt werden.

Griesinger schlussfolgerte, dass der Luteoplazentare Shift ein allmählicher Prozess ist. Nach Erreichen der Progesteron-Schwelle ist der Embryo lebensfähig. Die Erreichung des Übergangs ist jedoch individuell sehr unterschiedlich und kann sich zwischen der 4. bis 11. SSW hinziehen. Weitere Studien sind notwendig, um die mütterlichen und fetalen Folgen des fehlenden Corpus luteum graviditatis und die Veränderung der Schwangerschaftsendokrinologie zu untersuchen.

Fazit des Workshops: Sehr spannender und informativer Workshop mit Anregungen und Konsequenzen für den Praxisalltag.


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