Die Kohortenstudie wurde in den USA durchgeführt. Insgesamt wurden 723 Männer mit einer anamnestischen COVID-19-Erkrankung eingeschlossen, wobei bei allen der Testosteronspiegel gemessen worden war. Die Männer wurden in drei Gruppen eingeteilt, je nachdem ob sie hypo- oder eugonadal waren und ob sie im Fall eines vorliegenden männlichen Hypogonadismus eine Testosterontherapie (testosterone replacement therapy, TRT) erhalten hatten. Ein Hypogonadismus war dabei definiert als ein Gesamttestosteronspiegel unter dem vom Labor festgesetzten unteren Grenzwert (je nach Labor zwischen 6,1 und 10,4 nmol/l). Den primären Endpunkt stellte die Hospitalisierung aufgrund einer COVID-19-Erkrankung dar.1
Männer mit Testosteronmangel häufiger auf der Intensivstation
Von 723 Männern erhielten 180 eine TRT, die restlichen 543 wendeten kein Testosteron an, wobei von diesen 116 hypogonadal waren. Die hypogonadalen Männer mussten signifikant häufiger wegen einer COVID-19-Erkrankung ins Krankenhaus als jene mit Testosteronspiegeln im eugonadalen Bereich (45 % vs. 12 %; p < 0,001; Abb. 1). Gleiches galt für die Intensivpflicht: 9 % der hypogonadalen und 3 % der eugonadalen Männer mussten auf die Intensivstation aufgenommen werden. Auch nach einer multivariaten Adjustierung blieb der Effekt signifikant, wobei sich das Risiko einer Krankenhausaufnahme durch einen Hypogonadismus um das 2,4-fache erhöhte. Eine adäquate TRT, also einer Therapie, mittels derer der Testosteronspiegel in den Normbereich angehoben wurde, kehrte bei den behandelten hypogonadalen Patienten die Risikoerhöhung wieder um. Bei Männern unter einer TRT, bei denen die Testosteronwerte nicht in den Normalbereich angehoben wurden, blieb das Risiko hingegen weiterhin erhöht. In der Studie hatten 69 % von den 180 mit Testosteron behandelten Männer kurzwirksame Injektionen mit Testosteroncypionat oder -enanthat erhalten, 29 % ein transdermales Testosteron-Gel und 2 % wendeten Testosteron-Pflaster an. Kein Patient erhielt langwirksames intramuskuläres Testosteronundecanoat oder ein orales Testosteronpräparat.1
Abb. 1: Vergleich der Hospitalisierungsraten von insgesamt 723 COVID-19-Patienten, die entweder hypogonadal oder eugonodal waren oder eine TRT erhalten hatten. *p < 0,001; **p < 0,05; Abbildung nach Daten von Dhindsa et al. 2022.1
Der positive Effekt einer TRT trat nur bei Testosteronspiegeln im Normbereich ein
Die Autoren schlussfolgerten, dass hypogonadale Männer im Vergleich zu eugonadalen häufiger wegen einer COVID-19-Erkrankung hospitalisiert werden müssen. Demnach stellt ein männlicher Hypogonadismus einen weiteren klaren Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf bei Männern dar – und zwar unabhängig von anderen bekannten Risikofaktoren. Möglicherweise sei, so die Autoren, ein vorliegender Testosteronmangel aber auch nur das Anzeichen eines generell schlechten Gesundheitszustandes. Klar gezeigt werden konnte jedoch, dass sich bei hypogonadalen Männern das Risiko hospitalisiert werden zu müssen durch eine adäquate TRT reduziert. Dieser positive Effekt tritt jedoch nur dann auf, wenn mittels der Testosterontherapie die Testosteronspiegel wieder in den physiologischen Bereich angehoben werden. Die Autoren empfahlen daher als „Präventionsstrategie“ gegen schwere, also hospitalisierungspflichtige COVID-19-Verläufe bei Männern, auf einen männlichen Hypogonadismus zu testen und bei Bedarf eine angemessene TRT zu initiieren.1
Referenz
1 Dhindsa S et al. Association of Male Hypogonadism With Risk of Hospitalization for COVID-19. JAMA Netw Open. 2022; 5(9):e2229747.