ART-Schwangerschaften: Therapie mit Progesteron kann Risiko einer Frühgeburt verringern

Im Vergleich zu „klassischen Schwangerschaften“ ist das Risiko, ein Kind zu früh auf die Welt zu bringen, nach einer künstlichen Befruchtung um 80% erhöht. So sind 18% der Einlinge, 83% der Zwillinge und 100% der Drillinge Frühgeburten (vor der 37. Schwangerschaftswoche) mit Risiko einer perinatalen Morbidität und Mortalität. Insbesondere bei Frauen mit einer Verkürzung der Zervix kann die vaginale Anwendung von Progesteron die Gefahr einer Frühgeburt verringern.


In Deutschland kommen immer mehr Kinder durch eine künstliche Befruchtung (Assistierte Reproduktionstherapien, ART) zur Welt. Tendenz steigend. Während es 1997 noch 6.577 ART-Geburten im Jahr waren, stieg ihre Zahl auf 22.209 in 2020. So wurden in den Jahren 1997 bis 2020 insgesamt 363.940 Kinder mittels IVF, ICSI und Auftauzyklus geboren, fast so viele wie Bochum an Einwohnern hat. Obwohl die Zahl der Mehrlingsgeburten aufgrund der assistierten Reproduktion und des steigenden Alters der Mütter erstmals rückläufig zu sein scheint1,2, ist die Mehrlingsrate im Vergleich zu „klassischen Schwangerschaften“ immer noch um das 20-Fache erhöht2. Die hohe Rate an Mehrlingsgeburten, nach wie vor ein aktuelles Thema in der Reproduktionsmedizin, soll weiter reduziert werden. 

Das Problem: Mehrlingsschwangerschaften haben eine höhere Komplikationsrate, insbesondere Frühgeburten, als Einlingsschwangerschaften2. So werden 83% der Zwillinge zu früh geboren (vor der 37. Schwangerschaftswoche6), bei Drillingen sind es sogar 100%. 18% der ART-Einlinge sind Frühgeburten1, während die Rate der „normalen“ Frühgeburten in Deutschland seit 2009 bei 8 bis 9% liegt3. Frühgeborene tragen wesentlich zur perinatalen Morbidität und Mortalität bei6.

Insgesamt haben Frauen, die aufgrund einer künstlichen Befruchtung schwanger geworden sind, ein um 80% erhöhtes Risiko, ihr Kind zu früh auf die Welt zu bringen4. Neben einer Mehrlingsschwangerschaft können auch Gesundheitszustand und Lebensstil zu vorzeitigen Wehen führen. Dazu kommt: Ein Großteil der Frauen, die mithilfe einer IVF schwanger werden, hat das normale Gebäralter bereits überschritten und sind aufgrund ihrer Gesundheit einer Hochrisikogruppe zuzuordnen. Auch könnten die Hormone, die den Patientinnen zur ovariellen Stimulation verabreicht werden, die Einnistung des Embryos beeinflussen und vorzeitige Wehen auslösen5. Doch obwohl die Ursachen für eine Frühgeburt nicht eindeutig geklärt sind, sind die Zahlen zur Frühgeburtsrate bei Mehrlingen eindeutig. Ein bedeutender Faktor dabei ist auch der Transfer von zwei oder mehr Embryos, um die Chance für eine Lebendgeburt zu erhöhen. Mit den derzeitigen Techniken ist es jedoch wahrscheinlicher, dass beide Embryos anwachsen und zu einer Mehrlingsschwangerschaft führen.

Als Ursache für das erhöhte Risiko einer Frühgeburt wird häufig eine Überdehnung des Myometriums angesehen6. Eine mögliche Schlüsselrolle bei der Pathogenese spontaner Frühgeburten bei IVF-Schwangerschaften sehen die Autoren Cavoretto et al. einer großen Meta-Analyse die Entwicklung der Plazenta an. Sie empfehlen für Hochrisikopatientinnen ein Ultraschall-Screening der Zervix, um ggf. rechtzeitig vorbeugende Strategien anwenden zu können4. Nach der aktuellen deutschen Leitlinie zur „Prävention und Therapie der Frühgeburt“ ist eine Verkürzung der Zervixlänge im 2. Trimenon (zwischen 14. und 27. Schwangerschaftswoche) in gewissem Rahmen prädiktiv für eine spontane Frühgeburt. Eine Verkürzung wird am besten durch eine Vaginalsonographie erkannt6. Dabei sollte das in der Arbeit von Kagan und Sonek und in der Leitlinie beschriebene Vorgehen zur Messtechnik exakt beachtet werden6,7 (zur online CME-Fortbildung "Zervixlängenmessung zur Prädiktion der Frühgeburt"). Laut Leitlinie gilt eine Zervixlänge von ≤ 25 mm unterhalb der 34. Schwangerschaftswoche als verkürzt. Ausgenommen sind Hochrisikoschwangere (vorherige Frühgeburt < 35 Schwangerschaftswoche): Sie erleiden auch mit einer Zervixlänge von oftmals weit mehr als 25 mm im Schnitt mit 16%iger Wahrscheinlichkeit eine erneute Frühgeburt6. Auch bei Mehrlingen hat sich der Grenzwert von ≤ 25 mm zwischen der 16. und 24. Schwangerschaftswoche als Diagnose für einen verkürzten Zervix etabliert6

Die aktuelle Leitlinie empfiehlt Frauen mit Einlingsschwangerschaft, bei einer vor der 24. Schwangerschaftswoche gemessenen Zervixlänge von ≤ 25 mm bis zur 36. + 6 Schwangerschaftswoche, täglich intravaginal 200 mg Progesteron als Kapsel oder 90 mg als Gel anzuwenden. Eine Meta-Analyse individueller Patientendaten ergab, dass vaginal angewendetes Progesteron die Frühgeborenenrate bei genannter Zervixverkürzung signifikant verringerte, unabhängig davon, ob die Frauen eine vorangegangene Frühgeburt hatten oder nicht. Mortalität und Morbidität der Frühchen gingen ebenfalls zurück. Die Metaanalyse zeigte, dass die tägliche Behandlung mit 200 mg Progesteron als Kapsel oder mit 90-100 mg vaginalem Gel gleichermaßen effektiv sind6.


Literatur

1 DIR, Deutsches IVF-Register, Jahrbuch 2021, Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, Sonderheft 4/2022, 19. Jahrgang 2022, Modifizierter Nachdruck aus Nummer 5, ISSN 1810-2107
2 Springer Medizin Verlag GmbH, e.Medpedia, Mehrlingsschwangerschaften und Mehrlingsgeburten
3 Berger R, Rath W, Abele H, Garnier Y, Kuon RJ, Maul H: Reducing the risk of preterm birth by ambulatory risk factor management. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 858–64. DOI: 10.3238/arztebl.2019.0858
4 Healio News, November 17, 2017, IVF increases spontaneous preterm birth risk by 80% Cavoretto Pablo, et al., Ultrasound Obstet Gynecolo. 2017; doi: 10.1002/uog.18930
5 gaudiumifcentre.com, Delivering Motherhood Dreams, All about premature labor and how is it linked with IVF
6 S2k-Leitlinie Prävention und Therapie der Frühgeburt, AWMF, Registernummer 015-025, September 2022, Version 5.0
7 Kagan KO, Sonek J., How to measure cervical length, Ultrasound Obstet Gynecol 2015; 45: 358- 362. Doi: 10.1002/uog.14742. Epub 2015 Jan 29

 


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