Abnorme uterine Blutungen (AUB)

Abnorme uterine Blutungen (AUB) bezeichnen alle organischen und nicht strukturellen Blutungsstörungen bei Frauen im reproduktiven Alter. Von der FIGO wurde eine eindeutige Nomenklatur und Klassifikation der AUB angeregt.


Unter abnormen uterinen Blutungen ist eine uterine Blutung zu verstehen, die nicht auf den normierten Menstruationszyklus in der Prä-/Perimenopause zurückzuführen ist, sich also in Blutvolumen, Regelmäßigkeit oder Zeitpunkt vom normalen Zyklus unterscheidet1,2. Diese zählen bei Frauen in der reproduktiven Lebensphase zu den häufigsten Gründen für Konsultationen beim Gynäkologen.

Die Angaben, welche Werte als „normal“ gelten können, variieren in der Literatur. Als physiologisches Zyklusmuster (Eumenorrhö) kann z. B. eine Zykluslänge von 25–35 Tagen mit einer individuellen Abweichung von max. 2–3 Tagen angesehen werden3. Fraser et al.4 haben 2007 Grenzwerte für die einzelnen Zyklusparameter aufgestellt (Tab. 1), jedoch gleichzeitig empfohlen, diese als Basis für weitere Studien anzusehen.

In Deutschland ist die Darstellung von Zeitpunkt, Dauer und Stärke der Menstruation im Kaltenbach-Schema gängig. Hiermit können Hormonentzugsblutungen und Blutungsstörungen im normalen Zyklus sowie Abbruch- und Zusatzblutungen bei Hormoneinnahme standardisiert erfasst werden13,14(Abb. 1).

Tabelle 1: Häufigkeit, Variationsbreite, Dauer und Umfang der uterinen Blutung (modifiziert nach Fraser et al. 20074).

Parameter Grenzwerte*
Menstruationsfrequenz Häufig: < 24 Tage
Normal: 24–38 Tage
Selten: > 38 Tage
Zyklusvariation (Beobachtung über ein Jahr) Fehlend: –
Regelmäßig: ± 2–20 Tage
Unregelmäßig: > ± 20 Tage
Dauer der Regelblutung Verlängert: > 8 Tage
Normal: 4,5–8 Tage
Verkürzt: < 4,5 Tage
Menge des monatlichen Blutverlusts Stark: > 80 ml
Normal: 5–80 ml
Gering: < 5 ml

* Eine abnorme Blutung wird definiert durch Werte außerhalb des 5.–95.-Perzentilbereichs.

 

Kaltenbach-Schema

Abbildung 1: Kaltenbach-Schema (modifiziert nach Ludwig 200413 und Göretzlehner et al. 201415).

Bei abnormen uterinen Blutungen müssen akute und chronische AUB unterschieden werden

Bei der ersten Einschätzung abnormer uteriner Blutungen gilt es, in akute und chronische Beschwerden zu unterteilen. Bei akuten Blutungen handelt es sich um eine Episode starker Blutung, die eine sofortige Intervention notwendig macht1. Unter Umständen kann eine stationäre Versorgung angezeigt sein5. Akute AUB können im Zusammenhang bestehender chronischer Blutungen auftreten, aber auch losgelöst davon1.

Chronische AUB werden als solche bezeichnet, wenn sie innerhalb der letzten 6 Monate mehrheitlich auftraten. Sie erfordern keine sofortige Intervention1.

Intermenstruelle Blutungen

Bei intermenstruellen Blutungen handelt es sich um irreguläre Episoden mit häufig leichten und kurzen uterinen Blutungen, die zwischen den normalen Menstruationen auftreten6. Dies kann zufällig oder wiederholt und vorhersehbar zum gleichen Zeitpunkt innerhalb des Zyklus passieren1,7. Gelegentlich können intermenstruelle Blutungen auch sehr stark oder verlängert ausfallen. Außerdem können sie um den Ovulationszeitpunkt physiologischerweise als regelmäßiges Ereignis bei 1–2 % der Zyklen auftreten8. Des Weiteren umfassen die intermenstruellen Blutungen zyklisch auftretende Spottings, die in der Regel als postmenstruelle, periovulatorische und prämenstruelle Blutungen unterschieden werden können7,9.

Einführung einer eindeutigen Nomenklatur und Klassifikation

Nomenklatur von AUB

Bei den Blutungsstörungen bzw. den abnormen uterinen Blutungen finden sich in der Literatur sehr allgemeine Formulierungen. Es werden z. B. „irreguläre“, „atypische“, „unphysiologische“,„persistierende“ Blutungen beschrieben und es wird von „Meno-Metrorrhagien“ gesprochen. Viele der Bezeichnungen sind nicht genau definiert, umfassen die verschiedensten Blutungsstörungen, vermischen unterschiedliche Ursachen oder werden nicht entsprechend der klassischen Definitionen verwendet10.

In Deutschland hat sich im Wesentlichen die modifizierte traditionelle Klassifikation nach Robert Schröder durchgesetzt (Tab. 2). Es wird dabei von vaginalen/uterinen Blutungen als Symptom ausgegangen, ohne dass eine Aussage über die Ursache der Störung oder das Vorhandensein bzw. Fehlen der Ovulation getroffen wird10. Als ein Begriff, der auch eine Aussage über die Ursache trifft, ist zusätzlich der Terminus „dysfunktionelle Blutung“ gängig. Hiermit wird ausgedrückt, dass nicht organische Ursachen für die Blutungsstörungen verantwortlich sind.

Tabelle 2: Einteilung von Zyklusstörungen, modifiziert nach Robert Schröder (modifiziert nach Göretzlehner et al. 200510).

Einteilung Beschreibung
Amenorrhö Ausbleiben der Menstruation
Anovulatorischer Zyklus Ohne Ovulation und Corpus-luteum-Bildung
Metrorrhagie Unregelmäßige und/oder länger als 10 Tage andauernde azyklische Blutung
Spottings (Schmierblutungen) Zusätzlich zur Regel auftretende Blutungen, Dauer: 3 Tage
Durchbruchblutungen Zusätzlich zur Regel auftretende Blutungen, in Regelstärke
Polymenorrhö (Tempoanomalie) Zu häufige Regel: < 24 Tage Zyklusdauer
Oligomenorrhö (Tempoanomalie) Zu seltene Regel: > 34 Tage Zyklusdauer
Hypermenorrhö (Typusanomalie) Zu starke Regelblutung
Hypomenorrhö (Typusanomalie) Zu schwache Regelblutung
Menorrhagie (Typusanomalie) Zu lange andauernde Regelblutung
Dysmenorrhö Schmerzhafte Regelblutung

Da international wie auch in Deutschland die unterschiedlichsten Begrifflichkeiten für Blutungsstörungen bzw. abnorme uterine Blutungen verwendet wurden (und auch immer noch werden) und dies zu Schwierigkeiten bei der Durchführung multinationaler Studien sowie beim Vergleich verschiedener Ergebnisse führt, wurde die Einführung einer eindeutigen Nomenklatur von verschiedenen Experten angestoßen4.

Insbesondere Begriffe wie dysfunktionelle Blutungen, Menorrhagie und Metrorrhagie sollten laut FIGO aufgrund der Missverständlichkeit entfallen8. In Deutschland wird die Bezeichnung aber weiterhin Anwendung finden. Für dysfunktionelle Blutungen wurde kein sinnverwandtes Wort definiert, da es ein Spektrum von Ursachen wie Koagulopathien, Ovulationsstörungen und Endometriumpathologien umfasst, die in einer neuen Klassifikation der FIGO (PALM-COIN) enthalten sind1. Die anderen Begriffe sollten durch einfache Beschreibungen zur Menstruationsfrequenz, Dauer und Stärke, sowie Regelmäßigkeit der Blutung wie z. B. verlängerter Zyklus oder zu starke +/– verlängerte Blutungen ersetzt werden8,11. Die Zuordnung der Blutung zu einer oder mehreren Ursachen wird durch die neu entwickelte PALM-COEIN-Klassifikation (s. unten) ermöglicht11.

PALM-COEIN-Klassifikation der FIGO (International Federation of Gynecology and Obstetrics)

2011 wurde von der FIGO (International Federation of Gynecology and Obstetrics) eine neue AUB-Klassifikation entwickelt, die eine Vereinheitlichung der Nomenklatur auf internationaler Ebene und die Berücksichtigung mehrerer AUB-Ursachen zum Ziel hatte.

Das System basiert auf neun Hauptkategorien, die das Akronym PALM-COEIN ergeben. Dabei umfassen die PALM-Komponenten strukturelle Veränderungen, die per Bildgebung und/oder Histopathologie abgeklärt werden können, und die COEIN-Komponenten beinhalten nicht strukturelle Veränderungen1:

  1. Polypen (AUB-P)
  2. Adenomyosis uteri (AUB-A)
  3. Leiomyome (AUB-L)
  4. Malignome und Hyperplasien (AUB-M)

  5. Koagulopathien = „coagulopathy“ (AUB-C)
  6. Ovulationsstörungen (AUB-O)
  7. Endometriumpathologien (AUB-E)
  8. iatrogene Ursachen (AUB-I)
  9. nicht klassifizierte Ursachen (AUB-N)

Es wurde dabei berücksichtigt, dass nur eine oder mehrere Entitäten die Blutungen verursachen können. Zum Beispiel würde bei einer Patientin mit Ovulationsstörungen und einem submukösem Leiomyom des Uterus folgende Diagnose notiert werden: AUB P0 A0 L1(SM) M0 – C? O1 E0 N0 (in Kurzform: AUB-LSM; O). Hierbei bedeutet 1: „vorhanden“, 0: „nicht vorhanden“ und ?: „noch nicht beurteilt“. Des Weiteren können Entitäten auch zeitweise asymptomatisch sein und tragen dann in dieser Zeit nicht zu den auftretenden Beschwerden bei1.

Darstellung verschiedener Menstruationszyklen

Abbildung 2: Schematische Darstellung vier verschiedener Menstruationszyklen. Die Zyklen stellen jeweils einen typischen Verlauf dar (modifiziert nach Fraser et al. 20118). T1 und T28 beziehen sich jeweils auf Tag 1 und 28 bei einem normalen Zyklusverlauf.

  1. Munro, M., et al. (2011, Apr). FIGO classification system (PALM-COEIN) for causes of abnormal uterine bleeding in nongravid women of reproductive age. Int J Gynaecol Obstet, 113(1), pp. 3-13.

  2. Stute, P., & von Wolff, M. (Mai 2014). Perimenopausale Blutungsstörungen - Ursachen, Diagnostik, Therapie. Gynäkologie, S. 12-6.

  3. Sonntag, B. (Mai 2016). Zyklusstörungen – Diagnostik und Therapie. Gynäkologe, 49, S. 357-72.

  4. Fraser, I., et al. (2007, Mar). A process designed to lead to international agreement on terminologies and definitions used to describe abnormalities of menstrual bleeding. Fertil Steril, 87(3), pp. 466-76.

  5. von Wolff, M., & Stute, P. (2013). Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin - Das Praxisbuch. Stuttgart: Schattauer Verlag.

  6. Singh, S., et al. (2013, May). Abnormal uterine bleeding in pre-menopausal women. J Obstet Gynaecol Can, 35(5), pp. 473-5.

  7. Stute, P. (Aug 2012). Abnorme uterine Blutung. Gynäkol Endokrinol, 10(3), S. 197–209.

  8. Fraser, I., Critchley, H., Broder, M., & Munro, M. (2011, Sep). The FIGO recommendations on terminologies and definitions for normal and abnormal uterine bleeding. Semin Reprod Med, 29(5), pp. 383-90.

  9. Rohner, S., & von Wolff, M. (Mar 2013). Abnorme uterine Blutungen bei Kinderwunsch - Ursache und Therapie. Gynäkologie, S. 26-30.

  10. Göretzlehner, G., Göretzlehner, U., & Harlfinger, W. (2005). Zur Nomenklatur der Zyklusstörungen – Grundbegriffe und Definitionen. Frauenarzt, 46(1), S. 34-37.

  11. Munro, M. (2017, Apr). Practical aspects of the two FIGO systems for management of abnormal uterine bleeding in the reproductive years. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol, 40, pp. 3-22.

  12. Woolcock, J., et al. (2008, Dec). Review of the confusion in current and historical terminology and definitions for disturbances of menstrual bleeding. Fertil Steril, 90(6), pp. 2269-80.

  13. Ludwig, H. (2004). „Das Kaltenbach-Schema.“ Gynäkologe, 1148–50.

  14. Göretzlehner, G., Lauritzen, C., Römer, T., & Rossmanith, W. (2012). Praktische Hormontherapie in der Gynäkologie (6., komplett überarbeitete Ausg.). Berlin: de Gruyter.

  15. Göretzlehner, G., Römer, T., & Göretzlehner, U. (2014). Blutungsstörungen - Neugeborenenperiode bis Postmenopause. Berlin: De Gruyter (Verlag).

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