Welche Rolle spielt Testosteron bei der Bewältigung von akutem Stress?

Originalbeitrag erschienen bei andrologen.info | andro.topics


Hintergrund

Das sympatho-adrenomedulläre System reagiert innerhalb von Sekunden nach Exposition mit Stressfaktoren, indem es die Freisetzung von Katecholaminen aus dem Nebennierenmark und den Endungen der sympathischen autonomen Neuronen initiiert. Das löst Veränderungen mehrerer physiologischer Funktionen aus, und lässt sich peripher als Erhöhung des systolischen Blutdrucks und der Herzfrequenz messen. Es ist weithin akzeptiert, dass Stress die Aktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse inhibiert. Andererseits wird die Stressreaktion auf vielfältige Weise durch gonadale Steroide beeinflusst – darunter insbesondere die Aktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse. Allerdings bedarf die wechselseitige Beziehung zwischen Stress und Testosteron aufgrund bislang widersprüchlicher Forschungsergebnisse weiterer Klärung.

Zielsetzungen

Es sollte untersucht werden, wie das autonome Nervensystem und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse unter dem Einfluss von exogenem Testosteron auf unterschiedliche aber aufeinander abgestimmte akute Stressfaktoren reagieren.

Teilnehmer und Methoden

In einer Placebo-kontrollierten Studie mit dermaler Anwendung einer Einzeldosis Testosteron (150 mg) wurden 120 männliche Probanden auf drei Gruppen randomisiert. Eine Gruppe unterzog sich dem Kaltpressor-Test (CPT), einem nicht sozial evaluiertem körperlichem Herz-Kreislauf-Test, bei dem die Teilnehmer aufgefordert wurden, ihren rechten Arm bis zum Ellbogen so lange wie möglich aber bis zu maximal 5 Minuten in einen Eiswasserbehälter zu tauchen. Die Experimentatorin überwachte die Blutdruck- und Herzfrequenzmessungen ohne die Probanden zu beobachten. Bei der zweiten Gruppe wurde ein sozial-evaluierter CPT (SECPT) angewandt. Die Teilnehmer wurden darüber informiert, dass sie Video-Überwacht seien, um später ihre Gesichtsausdrücke während des Tests zu analysieren. Die Experimentatorin saß den Probanden gegenüber und beobachtete sie während der gesamten Prozedur. Bei der dritten Gruppe wurde unter Bedingungen wie bei der ersten Gruppe lauwarmes Wasser verwendet (stressfreie Kontrolle).

Ergebnisse

Zeitfaktor

Zwischen den Teilnehmern der Gruppen mit CPT und SECPT wie auch zwischen den Testosteron- und Placebo-Gruppen unterschied sich die Zeit der Eiswasser-Exposition nicht signifikant. Bei Berücksichtigung der Zeit im Eiswasser als zusätzlicher Prädiktor beeinflusste die Resultate nur unwesentlich.

Einfluss von Testosteron

Im Gruppenvergleich der Placebo-Fraktionen rief der SECPT einen größeren Anstieg des systolischen Blutdrucks als der CPT hervor. Dieses Verhaltensmuster änderte sich jedoch unter Testosteron-Anwendung. Verglichen mit Placebo, führte Testosteron während des CPT zur Erhöhung des systolischen Blutdrucks. Unter der SECPT war es genau umgekehrt (Abb.).

Abb.: Experimentelle Effekte auf den systolischen Blutdruck (SBP). Balken kennzeichnen
die mittlere Differenz des SBP während vs. vor der Stressor-Exposition. *) Testosteron vs. Placebo, p <0,05).  

Kortisol-Stressantwort

Die Analyse der Kortisolantwort zeigte keinerlei Effekte der Testosteron-Anwendung. Nach der Exposition mit Stressfaktoren, stiegen die Kortisolspiegel zwar an, doch die Erhöhung war nur bei SECPT signifikant.

Androgenrezeptor CAG-Repeat Polymorphismus

Unabhängig vom Stressfaktor war eine höhere Anzahl der CAG-Repeats mit einem höheren systolischen und diastolischen Blutdruck assoziiert. Andererseits war die Anzahl der CAG-Repeats kein Prädiktor der Kortisolantwort.

Selbsteinschätzung der Probanden

Es wurde kein signifikanter Effekt der Testosteron-Anwendung auf die Selbsteinschätzung von Stress, Schmerz und Unannehmlichkeit registriert. Wie erwartet, werteten die stressfreien Kontrollen am wenigsten belastend ein. Unerwarteterweise stuften die Teilnehmer der SECPT-Gruppe ihren Test als weniger stressig ein als die Teilnehmer der CPT-Gruppe. Das steht im Widerspruch zur physiologischen Reaktion. Solch eine Diskrepanz wird von den Autoren als nicht ungewöhnlich in der Stressforschung gewertet.

Kernaussagen

  • Der Effekt von Testosteron auf die akute Stressreaktion hängt von der Art des Stressfaktors ab.
  • Die Anwendung einer Einzeldosis Testosteron erhöht im Vergleich mit Placebo die kardiovaskuläre Pressorantwort auf einen körperlichen Stressfaktor.
  • Bei der Konfrontation mit einem körperlichen sozial-evaluiertem Stressfaktor erniedrigte Testosteron die Pressorantwort und bewahrte vor einer Reduktion der Herzfrequenzvariabilität.
  • Um mit den jeweiligen Erfordernissen einer Situation zurechtzukommen, kann Testosteron als Reaktion auf unterschiedliche Herausforderungen die Aktivierung des autonomen Nervensystems anpassungsfähig herauf- oder herunterregulieren.    

Literatur:
Kutlikova HH, Babková Durdiaková J, Wagner B, et al. 2020. The effects of testosterone on the physiological response to social and somatic stressors. Psychoneuroendocrinology 117: 104693
 


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