Hypogonadismus: Nicht nur bei sexuellen Funktionsstörungen abklären
Sexuelle Funktionsstörungen wie die erektile Dysfunktion oder eine verminderte Libido, Antriebslosigkeit und Stimmungsschwankungen zählen zu den typischen Symptomen eines Testosteronmangels. [1] Doch ein Hypogonadismus kommt oftmals nicht alleine: häufig ist er entweder die Folge oder die Ursache verschiedenster Komorbiditäten – mit denen er sich darüber hinaus auch wechselseitig verstärken kann. [2,3] Die aktuelle Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) empfiehlt deshalb ausdrücklich, einen Hypogonadismus nicht nur bei Patienten mit sexuellen Funktionsstörungen, sondern auch bei Patienten mit unter anderem folgenden Erkrankungen abzuklären, da bei ihnen ein Testosteronmangel typisch ist und eine Behandlung indiziert sein könnte: [1]
- Adipositas
- Metabolisches Syndrom
- Diabetes mellitus Typ 2 (DMT2)
- mittelgradige bis schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
- Osteoporose
Testosteronausgleich langfristig profitabel
Der medizinischen Behandlung der Grunderkrankung sowie einem angepassten Lebensstil mit regelmäßiger körperlicher Aktivität und einer Normalisierung des Körpergewichts kommt bei hypogonadalen Patienten mit metabolischen Komorbiditäten eine wichtige Rolle zu. Darüber hinaus weisen jedoch zahlreiche Studien darauf hin, dass Betroffene nicht nur in sexueller Hinsicht, sondern vor allem auch im Hinblick auf ihre metabolische Situation, maßgeblich von einer langfristigen, begleitenden Testosteronsubstitution profitieren können. [5–10] Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine klinisch relevante Verbesserung der metabolischen Parameter im Gegensatz zur oft rasch eintretenden Verbesserung der Sexualfunktion erst nach einigen Monaten zu erwarten ist. [5,11]
Verbesserter Metabolismus: Die wichtigsten Studienergebnisse im Überblick
- Im Rahmen einer kontrollierten Studie an 262 hypogonadalen Patienten im mittleren Alter von 59,5 Jahren verbesserten sich während einer längerfristigen Testosterontherapie über im Mittel 65,5 Monate wichtige Parameter des metabolischen Syndroms (u. a. Lipide, Blutdruck und HbA1c), Inflammationsmarker und Körpergewicht stetig. Wurde die Therapie für im Mittel 16,9 Monate unterbrochen, verschlechterten sich die Symptome erneut, was auf die Notwendigkeit einer lebenslangen Testosterongabe hindeutet. [5]
- In der placebokontrollierten TIMES-2-Studie profitierten hypogonadale Männer mit DMT2 bereits nach 6 Monaten transdermaler Testosterontherapie von einer signifikant verbesserten Insulinsensitivität gegenüber Placebo (p = 0,018). [6]
- Patienten mit neu diagnostiziertem funktionellem Hypogonadismus und DMT2, die im Rahmen einer aktuellen, randomisiert-kontrollierten Studie mit einem 1%-igen Testosterongel (50 mg Testosteron/Tag), behandelt wurden, wiesen nach 9-monatiger Therapie einen gegenüber der Kontrollgruppe signifikant verminderten Bauchumfang, einen verbesserten Glukosestoffwechsel (HOMA-IR, HbA1c) sowie eine Reduktion verschiedener Marker einer endothelialen Dysfunktion auf. [7].
- Zudem weisen Studienergebnisse auf eine verringerte Morbidität und Mortalität von Patienten mit DMT2 durch den Ausgleich eines bestehenden Testosteronmangels hin. [8,9]
Transdermale Testosterontherapie erweist sich als vorteilhaft
Experten zufolge sollten insbesondere bei älteren und komorbiden Patienten Testosteronspiegel im unteren bis mittleren Normbereich angestrebt werden. [1,12] Die transdermale Verabreichung, beispielsweise in Form eines Dosiergels oder Pflasters, stellt dabei eine sinnvolle Alternative zur intramuskulären Testosteroninjektion dar. Letztere kann Studienergebnissen zufolge mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Hospitalisierungen verbunden sein. [12,13]
Die Wirksamkeit eines 1%-igen Testosterongels wurde bereits in einer dreijährigen Studie überprüft. Dabei wurden bei täglicher Applikation physiologische Tagesprofile erzielt. Die Studienteilnehmer profitierten durch die Behandlung von einer Verbesserung der Sexualfunktion, der Stimmung, der Muskelkraft und der Knochendichte sowie einer Reduktion der Fettmasse. Die am häufigsten beobachteten unerwünschten Nebenwirkungen waren milde lokale Hautirritationen (12 von 123 Patienten), welche jedoch gut tolerierbar waren. [14]
Fazit
Der aktuelle Stand zum Thema Testosterontherapie lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Ein Hypogonadismus kann mit zahlreichen Komorbiditäten assoziiert sein. [1–3]
- Ein Testosteronmangel sollte deshalb nicht nur bei sexuellen Funktionsstörungen, sondern auch bei Patienten mit Adipositas, metabolischem Syndrom, DMT2, mittelgradiger bis schwerer COPD oder Osteoporose abgeklärt werden. [1]
- Neben einer Behandlung der Grunderkrankung und einer Anpassung des Lebensstils können Betroffene im Hinblick auf ihre metabolische Situation maßgeblich von einer langfristigen, begleitenden Testosterontherapie profitieren. [5]
- Zu den positiven metabolischen Effekten einer Testosterongabe zählen zahlreichen Studien zufolge unter anderem eine Verbesserung des Glukosestoffwechsels und der Insulinsensitivität, eine Reduktion von Entzündungsmarkern, eine Verringerung des Körpergewichts und des Bauchumfangs sowie – bei diabetischen Patienten – eine verringerte Mortalität. [5–10]
- Insbesondere bei älteren, komorbiden Patienten sollten Testosteronspielgel im unteren bis mittleren Normbereich angestrebt werden. [1,12]
- Die transdermale Anwendung stellt eine sinnvolle Alternative zur intramuskulären Therapie dar, da diese mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Hospitalisierungen einhergehen kann. [12–14]
Referenzen
[1] Dohle, G.R. et al. (2018): EAU-Leitlinie Männlicher Hypogonadismus. J Reproduktionsmed Endokrinol. 15(2), pp 71-88.
[2] Makshida, N. et al. (2005). Hypogonadism and metabolic syndrome: implications for testosterone therapy. J Urol. 174(3), pp 827-34.
[3] Zitzmann, M. et al. (2006). Association of specific symptoms and metabolic risks with serum testosterone in older men. J Endocrinol Metab. 91(11), pp 4335-43.
[4] Mulligan, T. et al. (2006). Prevalence of hypogonadism in males aged at least 45 years: the HIM study. Int J Clin Pract. 60(7), pp 762-69.
[5] Yassin, A. et al. (2016). Effects of intermission and resumption of long-term testosterone replacement therapy on body weight and metabolic parameters in hypogonadal in middle-aged and elderly men. Clin Endocrinol (Oxf). 84(1), pp 107-14.
[6] Jones, T.H. et al. (2011). Testosterone replacement in hypogonadal men with type 2 diabetes and/or metabolic syndrome (the TIMES2 study). Diabetes Care. 34(4), pp 828-37.
[7] Khripun, I. et al. (2018). Influence of testosterone substitution on glycemic control and endothelial markers in men with newly diagnosed functional hypogonadism and type 2 diabetes mellitus: a randomized controlled trial. Aging Male. doi: 10.1080/13685538.2018.1506918. [Epub ahead of print]
[8] Muraleedharan, V. et al. (2013). Testosterone deficiency is associated with increased risk of mortality and testosterone replacement improves survival in men with type 2 diabetes. Eur J Endocrinol. 169(6), pp 725-33.
[9] Shores, M.M. et al. (2012). Testosterone treatment and mortality in men with low testosterone levels. J Clin Endocrinol Metab. 97(6), pp 2050-58.
[10] Corona, G. et al. (2016).Therapy of Endocrine Disease: Testosterone supplementation and body composition: results from a meta-analysis study. Eur J Endocrinol. 174(3), pp R99-116. 1.
[11] Saad, F. et al. (2011). Onset of effects of testosterone treatment and time span until maximum effects are achieved. Eur J Endocrinol. 165, pp 675-85.
[12] Leinmüller, R. Männlicher Hypogonadismus: Oft Testosterondefizit bei Adipositas, metabolischem Syndrom und Diabetes. Berichterstattung zum 4. Symposium der Postgraduate International School of Men’s Health (PRISM), Brügge, Belgien, 16.-17.11.2018.
[13] Layton, J.B. et al. (2015). Comparative safety of testosterone dosage forms. JAMA Intern Med. 175(7), pp 1187-96.
[14] Wang, C. et al. (2004). Long-term testosterone gel (AndroGel) treatment maintains beneficial effects on sexual function and mood, lean and fat mass, and bone mineral density in hypogonadal men. J Clin endocrinol Metab. 89(5), pp 2085-98.